OGH: Zur Frage, ob Punkt 8.4.2 ÖNORM B2110 auch gilt, wenn sich aufgrund von Gegenforderungen ein Guthaben des Auftraggebers ergibt und unter nachvollziehbarem Hinweis auf diese Gegenforderungen überhaupt keine Zahlung mehr geleistet wird
Ob der Auftraggeber der „Nichtzahlung“ lediglich die Ablehnung weiterer Zahlungen zugrunde legt oder ob er darüber hinaus ein Guthaben zu seinen Gunsten behauptet, ist ohne Relevanz; in beiden Fällen erfolgt keine Zahlung; die hier anzuwendende Vertragsbestimmung fordert darüberhinaus ausdrücklich eine Abweichung der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag; vorausgesetzt ist also, dass der Auftraggeber von der Schlussrechnung Abzüge vornimmt und deswegen weniger bezahlt; dies ist hier gerade nicht der Fall; die hier maßgebliche Schlussrechnung blieb ungekürzt, die Beklagte zog lediglich verschiedene auf Schadenersatz und Gewährleistung gegründete Forderungen von der an sich unstrittigen um die bereits geleisteten Anzahlungen verminderten Schlussrechnungssumme ab, wodurch ein ihrer Ansicht nach zu ihren Gunsten bestehendes Guthaben entstand; es liegt daher keine Schlussrechnungskorrektur iSd hier anzuwendenden ÖNORM-Bestimmung vor
Punkt 8.4.2 ÖNORM B2110, §§ 1165 ff ABGB, §§ 1438 ff ABGB
GZ 4 Ob 194/15f, 15.12.2015
OGH: Zum geltend gemachten Entgelt für die Metallfassade wendet sich die Klägerin - zu Recht - gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene Gleichstellung des von der Beklagten behaupteten Guthabens infolge den Schlussrechnungsbetrag übersteigender Gegenforderungen mit der Annahme einer vom Rechnungsbetrag abweichenden Schlusszahlung.
Die hier unstrittig dem Vertragsverhältnis zwischen der Subunternehmerin und der Beklagten zugrunde liegende Bestimmung der ÖNORM B2110 (Punkt 8.4.2) lautet:
„Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrags.“
Der OGH hat zu 7 Ob 208/07z zu einer gleich lautenden Vertragsbestimmung (dort Punkt 5.30.2 der ÖNORM B2110) ausgesprochen, dass eine infolge errechneten Guthabens erfolgende Nichtzahlung einen Vorbehalt nach der ÖNORM-Bestimmung nicht erforderlich macht. Ausgehend vom Wortlaut, wonach ausdrücklich auf die „Annahme der Zahlung“ abgestellt werde und nicht auf die Kürzung der Rechnung schlechthin, messe die ÖNORM die Bedeutung eines Rechtsverzichts auch nur der Annahme der Zahlung (bei fehlendem Vorbehalt) bei. Auch zu 8 Ob 141/07d wurde die Anwendbarkeit dieser Vorbehaltsregel, wenn der Empfänger einer Schlussrechnung in der Meinung, nichts mehr zu schulden, keinerlei Zahlung erbringt, verneint. Ob der Auftraggeber der „Nichtzahlung“ lediglich die Ablehnung weiterer Zahlungen zugrunde legt oder ob er darüber hinaus ein Guthaben zu seinen Gunsten behauptet, ist ohne Relevanz. In beiden Fällen erfolgt keine Zahlung.
Auch in dem zu 4 Ob 241/14s entschiedenen Fall hatte die Revisionswerberin argumentiert, sie habe die Schlussrechnungssumme (auch) aufgrund von Gegenforderungen gekürzt, und eine solche Kompensation gem § 1438 ABGB gelte als Zahlung, sodass die von der Rsp geforderte Zahlung ohnedies vorgelegen habe. Die Frage, ob eine wirksame Aufrechnung als Erfüllungssurrogat im gegebenen Zusammenhang der Zahlung tatsächlich gleichzustellen ist, war im dort entschiedenen Fall und ist auch im vorliegenden Fall jedoch nicht relevant. Das gegenseitige Zusammentreffen aufrechenbarer Forderungen allein führt nicht schon deren Aufrechnung herbei, sondern gibt nur das Recht, auf Aufrechnung zu dringen. Es ist demnach eine entsprechende Aufrechnungserklärung erforderlich. Die außergerichtliche Aufrechnung wird dabei unbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt, setzt also deren Anerkennung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass sie wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe. Die Beklagte hat im Verfahren vor dem Erstgericht aber gar nicht behauptet, eine derartige Aufrechnungserklärung abgegeben zu haben (vgl zur Behauptungslast RIS-Justiz RS0033876); sie hat im Gegenteil ihre Gegenforderung ausdrücklich (nur) zum Gegenstand einer prozessualen Aufrechnungseinrede gemacht, die erst und nur für den Fall wirksam wird, dass eine gerichtliche Entscheidung den Bestand der Hauptforderung bejaht.
Hinzu kommt, dass die hier anzuwendende Vertragsbestimmung ausdrücklich eine Abweichung der Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag fordert. Vorausgesetzt ist also, dass der Auftraggeber von der Schlussrechnung Abzüge vornimmt und deswegen weniger bezahlt. Dies ist hier gerade nicht der Fall. Die hier maßgebliche Schlussrechnung blieb ungekürzt, die Beklagte zog lediglich verschiedene auf Schadenersatz und Gewährleistung gegründete Forderungen von der an sich unstrittigen um die bereits geleisteten Anzahlungen verminderten Schlussrechnungssumme ab, wodurch ein ihrer Ansicht nach zu ihren Gunsten bestehendes Guthaben entstand. Es liegt daher keine Schlussrechnungskorrektur iSd hier anzuwendenden ÖNORM-Bestimmung vor. Die Subunternehmerin/ihr Insolvenzverwalter musste daher auch keinen Vorbehalt (binnen drei Monaten) erklären, um den restlichen Entgeltanspruch geltend machen zu können.
Um abschließend beurteilen zu können, ob die Beklagte aus dem Auftrag zur Herstellung der Metallfassade noch etwas zu leisten hat, bedarf es daher der Prüfung der in diesem Zusammenhang von der Beklagten erhobenen und gegen die Klageforderung eingewendeten Gegenforderungen. Dies ist mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen aber noch nicht möglich, haben doch die Vorinstanzen (aufgrund ihrer vom OGH nicht gebilligten Rechtsansicht zum notwendigen Vorbehalt der weiteren Geltendmachung der Klageforderung) nur rudimentäre Feststellungen zu den von der Beklagten behaupteten Schäden und Aufwendungen getroffen. Weder lässt sich derzeit die Berechtigung und der Umfang der Pönaleforderung beurteilen, noch ist eine Bewertung der vom Geschäftsführer und anderen Mitarbeitern der Beklagten aufgewendeten Arbeitsstunden ableitbar. Das Erstgericht wird insoweit die Sachverhaltsgrundlage zu vervollständigen haben.