OGH: Zum Auskunftsanspruch des Markeninhabers nach § 55a MSchG
Der Auskunftsanspruch des Markeninhabers besteht grundsätzlich auch bei unzulässigen Parallelimporten
§ 55a MSchG, Art 8 DurchsetzungsRL
GZ 4 Ob 170/15a, 17.11.2015
OGH: Wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt worden ist, kann gem § 55a Abs 1 MSchG Auskunft über den Ursprung und die Vertriebswege der rechtsverletzenden Waren und Dienstleistungen verlangen, sofern dies nicht unverhältnismäßig im Vergleich zur Schwere der Verletzung wäre und nicht gegen gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verstoßen würde. Zur Erteilung der Auskunft sind der Verletzer und die Personen verpflichtet, die gewerbsmäßig rechtsverletzende Waren in ihrem Besitz gehabt, rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch genommen oder für Rechtsverletzungen genutzte Dienstleistungen erbracht haben. Dieser Auskunftsanspruch besteht grundsätzlich auch bei unzulässigen Parallelimporten, er ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich beim Eingriffsgegenstand um Originalware gehandelt hat. § 55a Abs 1 MSchG beruht auf Art 8 Abs 1 der RL 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (DurchsetzungsRL).
Die Prüfung der Unverhältnismäßigkeit erfordert aber eine umfassende Abwägung der Interessen von Markeninhaber und Verletzer. Dabei stehen einander regelmäßig das Interesse des Rechteinhabers an der Aufdeckung der Bezugs- und Absatzwege des Verletzers und das Interesse des Verletzers an der Geheimhaltung dieser Umstände gegenüber. IdR wird dabei das Interesse des Rechteinhabers überwiegen.
Ist es Vertriebspartnern untersagt, Ware an Händler zu liefern, die nicht einem bestimmten Vertriebssystem angehören, so besteht kein Zweifel, dass diese Verpflichtung auch bei Parallelimporten gegenüber dem Verkäufer durchgesetzt werden kann. Dadurch entsteht aber die Gefahr einer Marktabschottung, die beim Unterlassungsanspruch zu einer Umkehr der Beweislast führt: Zunächst müsste der Verletzte das Inverkehrbringen außerhalb des EWR beweisen, dann der Verletzer die Zustimmung des Markeninhabers zu einem weiteren Inverkehrbringen im EWR. Das Interesse des Markeninhabers am Aufdecken der Vertriebswege wiegt unter diesen Umständen deutlich weniger schwer als bei einer Verletzung durch nachgeahmte Ware oder bei Fehlen einer den Wettbewerb beschränkenden Vertriebsbindung.