OGH: Zur Verletzung fremder Forderungsrechte im Bestandrecht
Vereitelt der schädigende Dritte im Bewusstsein des Bestehens eines fremden Anspruchs und des Nichtbestehens seines eigenen Anspruchs vorsätzlich die Erfüllung eines fremden Vertrags, so haftet er nach § 1295 Abs 2 ABGB
§ 1295 Abs 2 ABGB, §§ 1090 ff ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 4 Ob 192/15m, 17.11.2015
Der Vorpächter übergab das Pachtobjekt verspätet an den Verpächter; der Nachpächter begehrt den Ersatz des ihm aus der Verzögerung erwachsenen Schadens vom Vorpächter
OGH: Wenngleich fremde Forderungsrechte keinen absoluten Schutz genießen, anerkennt die Rsp, dass auch eine nur schuldrechtliche Beziehung zwischen zwei Personen gegen Eingriffe Dritter unter bestimmten Voraussetzungen zu schützen ist. Ein Dritter darf das Recht des Gläubigers auf obligationsgemäße Willensrichtung des Schuldners nicht beeinträchtigen. Der Schadenersatz eines Gläubigers gegen einen Dritten wegen Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte betrifft den anerkannten Bereich des Schutzes reiner Vermögensinteressen. Ein derartiger Schadenersatzanspruch wird va bei wissentlicher Verleitung zum Vertragsbruch durch den Dritten oder auch dann anerkannt, wenn ein Dritter in arglistiger Weise im Zusammenspiel mit dem Schuldner bewusst zum Nachteil des Geschädigten handelt. Der Dritte beeinträchtigt das Forderungsrecht aber nicht nur, wenn er auf den schuldnerischen Leistungswillen in Richtung Vertragsbruch bzw dolosem Zusammenwirken aktiv Einfluss nimmt, sondern auch, wenn er in Kenntnis des fremden Forderungsrechts die schlichte Leistungsbewirkung vereitelt; das Recht auf Leistungsbewirkung entfaltet absolute Wirkung.
§ 1295 Abs 2 ABGB ist auch dann erfüllt, wenn der schädigende Dritte im Bewusstsein des Bestehens des fremden Anspruchs und des Nichtbestehens seines eigenen Anspruchs durch vorsätzliches Handeln (oder Unterlassen) die Erfüllung des fremden Vertrags vereitelt und den Gläubiger dadurch vorsätzlich schädigt. Wer sittenwidrig mit dem Ziel handelt, die Aufwendungen eines anderen zu frustrieren, haftet nach § 1295 Abs 2 ABGB. Geht man davon aus, dass der Vorpächter vom Bestand des fremden Gläubigerrechts und vom Nichtbestand (bzw vom Ablauf) seines eigenen Bestandrechts Kenntnis hatte, und bejaht man den für § 1295 Abs 2 ABGB erforderlichen Schädigungsvorsatz, ist dies ausreichend, um den Schadenersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung dem Grunde nach zu bejahen, wobei bedingter Vorsatz reicht. Neben der wissentlichen Beeinträchtigung eines bekannten Forderungsrechts kann auch (vorwerfbare) Unkenntnis des Bestehens eines fremden Forderungsrechts einen Schadenersatzanspruch auslösen, wenn das fremde Forderungsrecht aufgrund besonderer Umstände für den Verletzer deutlich „sozialtypisch“ erkennbar war, zB beim besitzverstärkten Forderungsrecht.