29.12.2015 Verfahrensrecht

OGH: EuUVO – zum sachlichen Anwendungsbereich der EU-Unterhaltsverordnung

Eine allgemeine Definition, was alles zum Unterhalt zählt, also etwa auch Abfindungen, Vermögensaufteilungen nach der Scheidung, Naturalien, Erfüllungsübernahmen uva konnte in der Erstellung der Verordnung nicht erreicht werden; gemeint sind nur gesetzliche Unterhaltsansprüche, allerdings fällt selbstverständlich durch eine den gesetzlichen Anspruch konkretisierende Vereinbarung der grundsätzliche Charakter als „gesetzlicher“ Anspruch nicht weg; weiters will die EuUVO selbst den Begriff möglichst weit ausgelegt wissen


Schlagworte: Europarecht, Unterhalt
Gesetze:

 

Art 1 EuUVO

 

GZ 3 Ob 157/15g, 18.11.2015

 

OGH: Seit dem 18. Juni 2011 ist die VO (EG) 2009/4 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) anwendbar (Art 76 EuUVO). Österreich und Frankreich sind Mitgliedstaaten, auf die diese Verordnung anwendbar ist. Gem Art 75 Abs 1 EuUVO ist die Verordnung auf alle nach dem 18. Juni 2011 eingeleiteten Verfahren anzuwenden. Diese Übergangsvorschrift bezieht sich aber nur auf das Erkenntnisverfahren.

 

Das Verfahren, das zum hier zu beurteilenden Interpretationsurteil vom 28. November 2011 führte, wurde aber bereits vor dem 18. Juni 2011 eingeleitet (entsprechend der Urteilsbegründung mit Antrag der Betreibenden vom 24. Jänner 2011). Gem Art 75 Abs 2 lit b EuUVO ist daher Kapitel IV Abschn 2 und 3 der Verordnung anzuwenden, somit die Art 23 ff, welche (weiterhin) eine Exekutionsführung nach Vollstreckbarerklärung vorsehen.

 

Der sachliche Anwendungsbereich der EuUVO umfasst alle Unterhaltspflichten, die „auf einem familien-, verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen“ (Art 1 Abs 1 EuUVO). Eine allgemeine Definition, was alles zum Unterhalt zählt, also etwa auch Abfindungen, Vermögensaufteilungen nach der Scheidung, Naturalien, Erfüllungsübernahmen uva konnte in der Erstellung der Verordnung nicht erreicht werden. Gemeint sind nur gesetzliche Unterhaltsansprüche, allerdings fällt selbstverständlich durch eine den gesetzlichen Anspruch konkretisierende Vereinbarung der grundsätzliche Charakter als „gesetzlicher“ Anspruch nicht weg. Weiters will die EuUVO selbst den Begriff möglichst weit ausgelegt wissen. Ob auch der Regressanspruch eines privaten Dritten, der aufgrund eigener Verpflichtung Unterhalt geleistet hat, in den sachlichen Anwendungsbereich der EuUVO fällt, braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden, weil verfahrensgegenständlich ein die Geldunterhaltspflicht des Vaters konkretisierendes Urteil ist, welches die Betreibende als obsorgeberechtigte Mutter als Vertreterin in Unterhaltssachen bzw Zahlstelle für die gesetzliche Unterhaltspflicht nennt.

 

Eines selbständigen Anerkennungsverfahrens bedarf es gem Art 23 Abs 1 EuUVO mangels hier gestellten diesbezüglichen Antrags (vgl Art 23 Abs 2 EuUVO) nicht, die Anerkennung ist lediglich als Vorfrage im Exekutionsbewilligungsverfahren zu prüfen. Dieses ist aber bereits rechtskräftig abgeschlossen.