29.12.2015 Zivilrecht

OGH: Konkludente Dienstbarkeitseinräumung im Zuge einer Bauverhandlung

Aus dem Umstand allein, dass die Agrargemeinschaft keine Einwände im Bauvorhaben zur Genehmigung der Einfriedung des Grundstücks des Beklagten erhob, kann die schlüssige Einräumung einer Wegdienstbarkeit zugunsten der Liegenschaft des Beklagten nicht abgeleitet werden


Schlagworte: Servitut, konkludent, Bauverhandlung
Gesetze:

 

§§ 472 ff ABGB, § 863 ABGB

 

GZ 7 Ob 188/15w, 19.11.2015

 

OGH: Die Dienstbarkeit (Servitut) ist das dingliche Recht der beschränkten Nutzung einer fremden Sache. Ob die Parteien eine Dienstbarkeit oder ein obligatorisches (Nutzungs-)Recht vereinbaren wollten, ist durch Auslegung des Vertrags hinsichtlich des verfolgten Zwecks zu beurteilen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass eine Dienstbarkeit und kein obligatorisches Recht eingeräumt wurde. Die unentgeltliche Einräumung eines beschränkten Gebrauchsrechts an einem Grundstück ist, wenn sie mit dinglicher Wirkung erfolgt, Dienstbarkeit ansonsten ein inhaltlich einer Dienstbarkeit entsprechender obligatorischer Nutzungsvertrag oder - nach den Umständen des Falls - eine bloß prekaristische Gestaltung.

 

Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist - neben den anderen in § 480 ABGB genannten Fällen - grundsätzlich ein Vertrag, der nicht ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann. Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist allerdings größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinne waren. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt. An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, strenge Anforderungen zu stellen. Die sonst an die Ersitzung anknüpfenden Erfordernisse des rechtmäßigen, redlichen und echten Besitzes, einschließlich dem Ablauf der Ersitzungszeit, sollen nicht dadurch einfach umgangen werden können, dass man aus der Nichtausübung eines Rechts oder der stillschweigenden Duldung der Nutzung des Grundstücks durch eine andere Person während eines kürzeren Zeitraums als jenen für die Ersitzung bereits einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche konkludente Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejaht. Selbst wenn die Benützung länger als zehn Jahre währt, kann kein Wille des Eigentümers abgeleitet werden, dass er sein Eigentumsrecht zugunsten einer dritten Person, insbesondere ohne Gegenleistung, beschränken will. Für eine konkludente Dienstbarkeitseinräumung müssen somit über die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs hinausgehende Sachverhaltselemente vorliegen, die auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Belasteten im Hinblick auf die Begründung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht schließen lassen.

 

In der Entscheidung 10 Ob 10/13p hat der OGH bereits dahin Stellung genommen, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks zwar zu erkennen gibt, dass er mit der Begründung der Dienstbarkeit einverstanden ist, wenn er die Errichtung kostspieliger Anlagen zur Ausübung einer Dienstbarkeit, zB einer Wasserleitung, auf seinem Grundstück oder die Befestigung und Asphaltierung eines Weges duldet. Hingegen kann das Schweigen eines Grundeigentümers zur Errichtung einer Anlage auf dem Nachbargrundstück nicht als schlüssige Einräumung einer Dienstbarkeit auf seiner Liegenschaft betrachtet werden. Aus der Zustimmung zur Erschließung eines Baugrundstücks, wenn dieses im Baubewilligungsverfahren im Zuge der Bauverhandlung abgegeben wurde, lässt sich eine entsprechende privatrechtliche Willenserklärung über die Einräumung einer uneingeschränkten Wegbenützung ebenfalls nicht ableiten (eine solche Zustimmung muss als Anbot zum Abschluss eines entsprechenden Dienstbarkeitsvertrags mit noch zu vereinbarendem Inhalt - im Zweifel gegen eine angemessene Gegenleistung - verstanden werden); dies gilt selbst dann, wenn der Eigentümer des angeblich dienenden Gutes in der Folge die Wegbenützung jahrelang duldet, sodass in diesem Fall nicht von der konkludenten Begründung einer Wegdienstbarkeit auszugehen ist. Davon ausgehend sprach der OGH aus, dass aus dem Umstand, dass drei Garagenboxen und die Garage bereits im Zuge ihrer Planung mit Ausfahrt in Richtung des Grundstücks des dortigen Beklagten und somit auf dessen Benützung ausgerichtet waren und die entsprechende Bewilligung zur Errichtung der Garagen von der Baubehörde erteilt wurde, die schlüssige Einräumung der Wegdienstbarkeit nicht abgeleitet werden kann, weil das bloße Schweigen eines Grundeigentümers zur Errichtung einer Anlage auf dem Nachbargrundstück nicht als schlüssige Einräumung einer Dienstbarkeit auf seiner Liegenschaft betrachtet werden kann.

 

Im vorliegenden Fall erhob die Agrargemeinschaft U***** im Bauverfahren keinen Einwand gegen die geplante Einfriedung „bei Einhaltung der Grundgrenzen“. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das im Rahmen der beabsichtigten Einfriedung vorgesehene Eingangstor am nördlichen Eck in unmittelbarem Zusammenhang mit der der TIWAG eingeräumten Dienstbarkeit stand, liegen durchaus erhebliche Gründe vor, daran zu zweifeln, dass die Agrargemeinschaft durch das Unterlassen von Einwendungen gegen die baubehördliche Genehmigung der Einfriedung des Grundstücks des Beklagten auch eine Dienstbarkeit zugunsten der Liegenschaft des Beklagten begründen wollte. Daraus, dass die Agrargemeinschaft auch im Verfahren zur Genehmigung der Einfriedung des Grundstücks des Klägers keine Einwendungen erhob, kann - entgegen der Ansicht des Beklagten - kein Gebrauch oder übliche Gewohnheit dahin abgeleitet werden, dass die Einräumung von Dienstbarkeiten durch die Agrargemeinschaft generell schlüssig erfolgt.