21.12.2015 Zivilrecht

OGH: Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter – zur Reichweite der Schutzwirkungen eines Mietvertrags

Allein dass die Kunden der Kindertagesstätte den Privatparkplatz (kostenlos) benützen dürfen, ist nach der Judikatur des erkennenden Senats im Hinblick auf die Kürze der Benützung, die eine dem Mieter vergleichbare Intensität nicht annähernd erreicht, nicht ausreichend, um eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu begründen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Bestandverhältnis
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB

 

GZ 2 Ob 195/15p, 19.11.2015

 

Die Klägerin stürzte, als sie ihr Kind zur Tagesbetreuungstätte bringen wollte, auf dem Privatparkplatz der Beklagten, der von der Nebenintervenientin winterbetreut wird. Der Parkplatz steht auch den Kunden der Kinderbetreuungsgruppe, die ihrerseits Räumlichkeiten von der Beklagten gemietet hat und aufgrund dieses Mietvertrags den Privatparkplatz der Beklagten - ohne dies gesondert in Rechnung gestellt zu bekommen - mitbenützen darf, zur Verfügung.

 

OGH: Eine Schutzpflicht zu Gunsten Dritter am Vertrag nicht Beteiligter wird angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf Dritte übernommen wurde. Voraussetzung ist, dass der räumliche Kontakt der dritten Personen mit der vertraglichen Hauptleistung voraussehbar war, sie also der vertraglichen Leistung nahestehen, und der Vertragspartner (beim Werkvertrag etwa der Besteller) an ihrem Schutz ein sichtbares eigenes Interesse hatte, oder ihn ihnen gegenüber offensichtlich eine Fürsorgepflicht traf. Wie die Revisionswerberin selbst darlegt, besteht von ihrer Seite weder mit der beklagten Partei noch mit der Nebenintervenientin eine rechtliche Nahebeziehung. Inwiefern der Vertrag zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin entsprechend den dargelegten Voraussetzungen Schutzwirkungen ihr gegenüber entfalten könnte, also abgesehen vom allenfalls voraussehbaren Kontakt zur Hauptleistung ein sichtbares Eigeninteresse der Beklagten am Schutz der Klägerin bestünde oder eine offensichtliche Fürsorgepflicht, ist nicht erkennbar.

 

Soweit sich die Revisionswerberin darauf stützt, dass ihr ein deckungsgleicher vertraglicher Anspruch nicht zustehe, ist darauf zu verweisen, dass aus diesem Umstand alleine eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht abgeleitet werden kann, sondern nur umgekehrt eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Dritten dann zu verneinen ist, wenn der Geschädigte einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung hat.

 

Der erkennende Senat hat sich mit der - obiter - angedeuteten Rechtsansicht der Entscheidung 4 Ob 223/10p in 2 Ob 70/12a ausführlich auseinandergesetzt und ist ihr nicht gefolgt. Diese Entscheidung wurde von Kathrein begrüßt („erfreulich klare Worte zur Reichweite des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter im Bestandverhältnis“) und teilweise für den dort vorliegenden Fall der Miete einer Arztordination (nur) insoweit kritisiert, als zwischen Wohnungs- und Geschäftsraummiete zu differenzieren sei, weil der Mieter von Geschäftsräumlichkeiten wegen seiner Kunden, Klienten oder Patienten in der Lage sei, den typischerweise höheren Mietzins aufzubringen, weshalb seine Kunden etc nicht mit Handwerkern, Lieferanten oder Besuchern von Wohnungsmietern gleichgesetzt werden könnten.

 

Ein derartiger Fall liegt hier aber schon feststellungsmäßig nicht vor, weil die beklagte Partei der Kinderbetreuungsstätte kein Entgelt für die Benutzung ihres Privatparkplatzes durch ihre Kunden verrechnet. Allein dass die Kunden der Kindertagesstätte den Privatparkplatz benützen dürfen, ist aber - entgegen den Ausführungen der Revision - nach der Judikatur des erkennenden Senats im Hinblick auf die Kürze der Benützung, die eine dem Mieter vergleichbare Intensität nicht annähernd erreicht, nicht ausreichend, um eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu begründen.