30.11.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: Zum Entfall der Rügeobliegenheit

Nach § 377 Abs 5 UGB entfällt die Rügeobliegenheit, wenn der Verkäufer den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschwiegen oder verursacht hat, zB wenn der Käufer bei Vorhandensein aller Informationen den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte


Schlagworte: Unternehmensrecht, Rügeobliegenheit, Entfall, nicht genehmigungsfähiges aliud, Gewährleistung, Irrtum
Gesetze:

 

§ 377 UGB, § 378 UGB

 

GZ 2 Ob 78/15g, 21.10.2015

 

OGH: Nach §§ 377 f UGB kann der Käufer Ansprüche auf Gewährleistung (§§ 922 ff ABGB), auf Schadenersatz wegen des Mangels selbst (§ 933a Abs 2 ABGB) sowie aus einem Irrtum über die Mangelfreiheit der Sache (§§ 871 f ABGB) nicht mehr geltend machen, wenn er die Anzeige des Mangels unterlässt. Ansprüche wegen Arglist des Verkäufers bleiben demnach unberührt. Auch Ansprüche wegen Mangelfolgeschäden sind von § 377 Abs 2 UGB nicht erfasst. Die Rügepflicht entfällt nicht allein dadurch, dass eine bestimmte Eigenschaft der Sache im Vertrag zugesichert war. Die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung der Verspätung zu prüfen.

 

Nach § 378 UGB finden die Vorschriften des § 377 UGB auch dann Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Ware oder eine andere Menge geliefert worden ist, sofern die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, dass der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten musste. Genehmigungsunfähigkeit und damit Entfall der Rügeobliegenheit ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; es gilt ein strenger Maßstab. Die Verschiedenheit der bestellten von der gelieferten Ware muss nach ihrer Beschaffenheit so erheblich sein, dass nach vernünftiger Auffassung der Sachlage ein Unternehmer mit dieser Ware einen Versuch, den Vertrag zu erfüllen, nicht machen würde. Die gelieferte Ware darf idS mit der bestellten „nichts mehr gemein“ haben, sie muss „krass“ von der bestellten Ware abweichen, dh offensichtlich für den Zweck des Käufers „untauglich“ sein.

 

Nach § 377 Abs 5 UGB kann sich der Verkäufer auf die Rügeobliegenheit des Käufers nicht berufen, wenn der Käufer beweist, dass der Verkäufer den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht oder verschwiegen hat. Die Wortfolge „vorsätzlich oder grob fahrlässig“ bezieht sich sowohl auf „Verschweigen“ als auch auf „Verursachen“. In beiden Fällen ist der vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnde Verkäufer für jene Umstände verantwortlich, die sein Informationsinteresse bezüglich des Vorliegens eines Mangels begründen, sodass die dem Käufer (sonst) auferlegte Informations- und Rügepflicht entfällt. Der Tatbestand grober Fahrlässigkeit ist ua erfüllt, wenn der Verkäufer den Mangel kannte, aber ihm aufgrund grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben ist, dass der Käufer davon keine Kenntnis hatte, aber bei Vorhandensein der Information den Vertrag möglicherweise nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte.