OGH: Maschinen-Sicherheitsverordnung MSV und MSV 2010
Zweck der Regelungen der MSV ist der Schutz derjenigen, die mit bzw an den Maschinen arbeiteten, somit im Wesentlichen der Arbeitnehmerschutz; es sollen auch Gefahren, die durch nicht ordnungsgemäße Verwendung der Maschine entstehen, verhindert werden; wenn die MSV nach ihrem § 1 Abs 1 für Maschinen gelten sollte, „wenn von ihnen bei bestimmungsgemäßer Verwendung wegen der Bauart oder der Wirkungsweise Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Verwender“ ausgingen, so wurde damit nur die allgemeine Voraussetzung formuliert, unter der eine Maschine besonderen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen hatte; dies bedeutet aber noch nicht, dass der daraus resultierende Sicherheitsstandard im Rahmen der Produkthaftung zwar dem Schutz des Verwenders, nicht aber auch anderer Personen dienen sollte, bei denen sich gerade die Gefahr des fehlenden Sicherheitsstandards verwirklicht
§ 5 PHG, MSV, MSV 2010
GZ 9 Ob 59/15i, 28.10.2015
OGH: Im vorliegenden Fall steht der für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts maßgebliche Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens (§ 6 PHG) nicht genau fest. Bereits das Berufungsgericht wies aber darauf hin, dass der Holzrückewagen weder den Anforderungen des § 99 der Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV), BGBl Nr 306/1994, in der bis 28. Dezember 2009 geltenden Fassung, noch des Punkts 3.4.7. des Anhangs I der am 29. Dezember 2009 in Kraft getretenen Maschinen-Sicherheitsverordnung 2010 (MSV 2010), BGBl II 2008/282, entsprach:
Aus beiden Bestimmungen geht hervor, dass (abnehmbare) Gelenkwellen zwischen einer selbstfahrenden Maschine oder einer Zugmaschine und dem ersten festen Lager einer angetriebenen Maschine über die gesamte Länge des Wellenstrangs und der Gelenke geschützt (MSV) bzw so konstruiert und ausgeführt sein müssen, dass während des Betriebs alle beweglichen Teile über ihre gesamte Länge geschützt sind (MSV 2010). Die Zapfwelle, an die die Gelenkwelle angekuppelt ist, muss entweder durch einen an der selbstfahrenden Maschine oder Zugmaschine befestigten (MSV 2010: und mit ihr verbundenen) Schutzschild oder eine andere den gleichen Schutz gewährleistende Vorrichtung geschützt sein. Schließlich muss die angetriebene Welle der angetriebenen Maschine von einem an der Maschine befestigten Schutzgehäuse umschlossen sein.
Diesen Anforderungen wurde die vorliegende Konstruktion nicht gerecht, weil der Anschlussbereich der Zapf- und der Gelenkwelle aufgrund der 10 cm großen Öffnung des Schutzgehäuses gerade nicht über ihre gesamte Länge so verdeckt war, dass es während des aufrechten Betriebs zu keinen Einwirkungen von außen kommen konnte. Zutreffend wies das Berufungsgericht überdies darauf hin, dass die in Punkt 3.4.7. dritter Absatz des Anhangs I der MSV 2010 erwähnte Notwendigkeit, dass die Öffnung des Schutzgehäuses für den Zugang zur abnehmbaren Gelenkwelle möglich sein muss, auf die prinzipielle Unzulässigkeit einer nicht verschließbaren Zugangsmöglichkeit hinweist. Zu bedenken ist nämlich, dass ein über die gesamte Länge geschützter und nur im Bedarfsfall (De-/Montage; Wartung) zugänglicher Wellenstrang samt Gelenken nicht erst bei dritten Personen, sondern schon bei einem Verwender das Sicherheitsbewusstsein für die mit dem Öffnen dieses Bereichs verbundenen Gefahren erhöht. Eine (abnehmbare) Abdeckung erfüllt insofern auch eine Warnfunktion.
Die Beklagte meint, dass die Maschinen-Sicherheitsverordnungen hier nicht anwendbar seien, weil sie nur für Maschinen gelten würden, wenn von ihnen bei bestimmungsgemäßer Verwendung wegen der Bauart oder der Wirkungsweise Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Verwender ausgingen; diese Voraussetzungen träfen auf den mj Kläger nicht zu.
Dass der Holzrückewagen nach der Fahrzeugpräsentation einer nicht bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt worden wäre, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Derartiges wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Darüber hinaus entspricht es den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, dass eine Maschine so zu konstruieren und zu bauen ist, dass sie ihrer Funktion gerecht wird und unter den vorgesehenen Bedingungen - aber auch unter Berücksichtigung einer vernünftigerweise vorhersehbaren Fehlanwendung der Maschine - Betrieb, Einrichten und Wartung erfolgen kann, ohne dass Personen einer Gefährdung ausgesetzt sind (Anhang I Pkt 1.1.2.a MSV 2010).
Soweit die Beklagte die Anwendbarkeit der Verordnungen bestreitet, weil der mj Kläger nicht zum Kreis der Verwender des Holzrückewagens gehört, geht ein derartiges Verständnis am Zweck der Verordnungen vorbei. Wenn die frühere MSV nach ihrem § 1 Abs 1 für Maschinen gelten sollte, „wenn von ihnen bei bestimmungsgemäßer Verwendung wegen der Bauart oder der Wirkungsweise Gefahren für das Leben oder die Gesundheit der Verwender“ ausgingen, so wurde damit nur die allgemeine Voraussetzung formuliert, unter der eine Maschine besonderen Sicherheitsanforderungen zu entsprechen hatte. Dies bedeutet aber noch nicht, dass der daraus resultierende Sicherheitsstandard im Rahmen der Produkthaftung zwar dem Schutz des Verwenders, nicht aber auch anderer Personen dienen sollte, bei denen sich gerade die Gefahr des fehlenden Sicherheitsstandards verwirklicht. Auch die der MSV zugrunde liegende Richtlinie 98/37/EG enthielt die von der Beklagten gewünschte Einschränkung nicht. Die auf der Umsetzung der Richtlinie 2006/42/EG beruhende Maschinen-Sicherheitsverordnung 2010 bezieht ihren Anwendungsbereich überhaupt nur noch auf bestimmte Erzeugnisse. Punktuell ist aber erkennbar, dass auch sie nicht nur den Schutz von Verwendern bezweckt, sondern darauf abzielt, bei bestimmungsgemäßer und vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen und gegebenenfalls von Haustieren und Sachen und, soweit anwendbar, die Vermeidung einer Umweltgefährdung zu gewährleisten (s § 4 MSV 2010). Die Anwendbarkeit der Maschinen-Sicherheitsverordnung (2010) wird von der Beklagten danach zu Unrecht in Frage gestellt.
Es ist danach vertretbar, wenn das Berufungsgericht einen Produktfehler hier deshalb bejahte, weil der Holzrückewagen aufgrund der vorhandenen, nicht abgedeckten Öffnung nicht den für Gelenk- und Zapfwellen vorgesehenen Sicherheitsanforderungen der Maschinen-Sicherheitsverordnungen und folglich nicht dem - auch von erwachsenen und mit dem Rückewagen hantierenden Personen - erwartbaren Sicherheitsstandard entsprach. Da sich beim Kläger danach gerade das Risiko aus dem produktspezifischen Fehler (Gefahr des offenen Lochs bei laufender Welle) verwirklicht hat, besteht zur Beurteilung des Berufungsgerichts insgesamt kein Korrekturbedarf.