OGH: Datenschutz in Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit – zur Frage, ob die Identität der Bf durch die Reduktion ihres vollständigen Namens und ihrer Anschrift auf den im RIS ausgewiesenen Titel und die jeweils ersten Buchstaben des Vor- und des Nachnamens iSd § 15 Abs 4 OGHG ausreichend anonymisiert wurde
Aus der Verwendung eines Titels wie „Mag.“ („Maga.“) und des jeweils ersten Buchstabens des Vor- und des Nachnamens einer Verfahrenspartei kann idR jedoch nicht annähernd auf eine konkrete Person geschlossen werden; das gilt umso mehr, wenn auch keine Adresse veröffentlicht wird; daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auch der im RIS ausgewiesene Name des anwaltlichen Vertreters der Bf zu den sie betreffenden Entscheidungen führt
§ 83 GOG, § 85 GOG, § 15 OGHG, § 1 DSG 2000, § 27 DSG 2000
GZ 9 Ob 51/15p, 28.10.2015
OGH: Gem § 15 Abs 2 OGHG kann der erkennende Senat bei der Beschlussfassung in Rechtssachen, in denen das Verfahren in allen Instanzen ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu führen war, anordnen, dass die Entscheidung (Volltext) in der Datenbank nicht zu veröffentlichen ist, wenn ansonst die Anonymität der Betroffenen nicht sichergestellt ist. Diese Bestimmung kommt hier nicht zum Tragen, weil der von der Bf bekämpfte Unterbrechungsbeschluss in einem Zivilrechtsstreit, sohin in einem Verfahren erging, das nicht ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu führen war.
Gem § 15 Abs 4 OGHG sind in der Entscheidungsdokumentation Justiz Namen, Anschriften und erforderlichenfalls auch sonstige Orts- und Gebietsbezeichnungen, die Rückschlüsse auf die betreffende Rechtssache zulassen, durch Buchstaben, Ziffern oder Abkürzungen so zu anonymisieren, dass die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung nicht verloren geht. Mit der Bestimmung soll einerseits sichergestellt werden, dass im Interesse des Personenschutzes der Parteien, Zeugen und „sonstigen Beteiligten“ eine entsprechende Anonymisierung der Entscheidungen zu erfolgen hat, andererseits aber auch verhindert werden, dass das Textdokument wegen der Anonymisierung nicht mehr verständlich ist (Felzmann/Danzl/Hopf, Oberster Gerichtshof², § 15 OGHG Anm 7).
Die genannten Autoren vertreten, dass die Bestimmung, durch die eine ausreichende Unkenntlichmachung sichergestellt werden soll, im Standardfall eine Anonymisierung durch Reduktion des Familiennamens auf den Anfangsbuchstaben sowie Entfall der Berufsbezeichnung und der gesamten Anschrift der betroffenen Person erlaubt. Unter Umständen kann es notwendig sein, auch den Vornamen einer Person zu anonymisieren, insbesondere dann, wenn dieser eher selten oder im gegebenen Zusammenhang sonst auffällig ist. Im Einzelfall können aber auch noch weitergehende Schritte zur Anonymisierung erforderlich sein, wenn die Identität der Person sonst aus der Entscheidung hervorginge.
Für die Frage, ob bei Veröffentlichung einer Entscheidung im RIS unter Bezeichnung einer Partei mit dem Titel und den Anfangsbuchstaben ihres Namens der Personenbezug der Daten derart ist, dass ein Dritter auf die Identität der Partei schließen kann, kann es nicht auf die subjektive Sicht der Partei ankommen, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, weil sie idR Kenntnis von der Entscheidung hat und aufgrund des Gesamtbildes der Entscheidung, der Wiedergabe eines Sachverhalts und des bisherigen Verfahrens und der bezughabenden Aktenzahl zwangsläufig auf sich schließen kann. Aus denselben Gründen scheiden auch der Verfahrensgegner und sonstige Verfahrensbeteiligte als Maßstab aus, weil ihnen personenbezogene Daten wie Name und Anschrift einer Verfahrenspartei idR schon aus der Verfahrensführung bekannt sind (Schriftsätze, Ladungen, öffentliche mündliche Verhandlung ua). Maßgeblich kann daher nur sein, ob veröffentlichte Daten auch nicht verfahrensbeteiligten Dritten die Bestimmung der Identität einer Person erlauben. Aus der Verwendung eines Titels wie „Mag.“ („Maga.“) und des jeweils ersten Buchstabens des Vor- und des Nachnamens einer Verfahrenspartei kann idR jedoch nicht annähernd auf eine konkrete Person geschlossen werden. Das gilt umso mehr, wenn - wie es auch § 15 Abs 4 DSG 2000 entspricht - auch keine Adresse veröffentlicht wird.
Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, gibt es doch zahlreiche Namensträgerinnen mit den Initialen „C“ und „Ö“ und Trägerinnen des Titels „Mag.“ oder „Maga.“. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auch der im RIS ausgewiesene Name des anwaltlichen Vertreters der Bf zu den sie betreffenden Entscheidungen führt. Denn dem Verfahrensgegner ist ein Unterbrechungsbeschluss ohnehin zur Kenntnis zu bringen. Nicht am Verfahren Beteiligte Dritte können aber alleine vom Einschreiten eines Rechtsanwalts nicht auf die Person eines Mandanten/einer Mandantin schließen, zumal auch der im RIS angeführte Kanzleisitz eines Rechtsanwalts häufig nicht mit dem Wohnort einer Streitpartei ident ist. Ein Sachverhalt, der nicht verfahrensbeteiligten Dritten Rückschlüsse auf die Person der Bf ermöglichen könnte, ist den Entscheidungen 6 Ob 228/14v und 4 Ob 105/15t ohnehin nicht zu entnehmen. Da aber alleine mit der Anführung des Titels und der Initialen der Bf ihre Identität noch nicht bestimmbar ist, wurde diese iSd § 15 Abs 4 OGHG ausreichend anonymisiert. Die Veröffentlichung der Rechtssache erfolgte damit in Entsprechung der in § 15 Abs 1 OGHG vorgesehenen Verpflichtung. Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen der Bf an ihrem Titel und den Anfangsbuchstaben ihres Namens iSd § 1 Abs 1 DSG 2000 sind folglich zu verneinen.