16.11.2015 Verfahrensrecht

OGH: Zur Rechtskraftwirkung einer ausländischen Markenrechts-Entscheidung

Die Rechtskraftwirkung einer im Ausland ergangenen Entscheidung über die Vorfragen der Gesamtrechtsnachfolge der Markeninhaber und die Verjährung der Markenrechte richtet sich nach dem ausländischen Recht


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, Markenrecht, Gesamtrechtsnachfolge, Verjährung, Vorfrage, Anerkennung ausländischer Entscheidungen, Rechtskraftwirkung
Gesetze:

 

Art 27 EuGVVO, Art 33 EuGVVO, Art 34 EuGVVO

 

GZ 4 Ob 30/15p, 11.08.2015

 

OGH: Die in Art 33 Abs 1 EuGVVO angeordnete Ipso-iure-Anerkennung von in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidungen geht vom Gedanken der Wirkungserstreckung aus, dh dem anerkannten Urteil kommen im Zweitstaat dieselben Rechtswirkungen zu wie im Ursprungsstaat. Ein Urteil eines ausländischen Gerichts entfaltet daher im Inland jene Wirkungen, die ihm im Bereich des Ursprungsstaats zukommen. Die objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft sind daher dem Recht des Erststaats zu entnehmen.

 

Dass verschiedenen Inhabern zustehende „Parallel-Marken“, die aufgrund ihres jeweiligen räumlichen Schutzbereichs zu unterschiedlichen Ausschließlichkeitsrechten der jeweiligen Inhaber führen, mit der Warenverkehrsfreiheit nicht in Widerspruch stehen, entspricht der Rsp des EuGH.

 

Das Prinzip der Wirkungserstreckung von Entscheidungen bedeutet, dass die objektiven Grenzen der Rechtskraft eines (hier: in den Niederlanden) abgeführten Markenrechts-Verfahrens nach niederländischem Recht zu beurteilen sind. Sollte das niederländische Recht eine Rechtskraftwirkung kennen, die auch in der Gerichtsentscheidung beantwortete Vorfragen umfasst, könnte die niederländische Beurteilung der Gesamtrechtsnachfolge zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile einschließlich der Beurteilung der diesbezüglichen Verjährungsfrage nach (hier: russischem) Sitzrecht Bindungswirkung für das hier zwischen den Streitteilen geführte Verfahren betreffend österreichischer Marken haben.

 

Nach Art 34 Z 3 EuGVVO ist eine Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien im Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung angestrebt wird, ergangen ist. Das Anerkennungshindernis liegt selbst dann vor, wenn die inländische Entscheidung unter Missachtung der Art 27 f EuGVVO zustande gekommen ist. Die Wirkungen des ausländischen Urteils können durch eine inländische Entscheidung aber nur dann gebannt werden, wenn dieser inländischen Entscheidung bereits im Inland selbst Wirkungen (Rechtskraft, Gestaltungswirkung, Vollstreckbarkeit) zukommen. Dies ist bei inländischen Urteilen erster Instanz zu verneinen und es liegt dann auch der Versagungsgrund des Art 34 Z 3 EuGVVO nicht vor.