16.11.2015 Zivilrecht

OGH: Unleidliches Verhalten gem § 30 Abs 2 Z 3 MRG einer psychisch kranken Mieterin

Schon das eine Hilfe ablehnende Verhalten der Beklagten zeigt, dass eine Einsicht in ihr Krankheitsbild nicht vorhanden ist; damit wird eine positive Zukunftsprognose ausgeschlossen


Schlagworte: Mietrecht, Kündigung, unleidliches Verhalten, psychisch krank, Verschulden, Zukunftsprognose
Gesetze:

 

§ 30 MRG

 

GZ 10 Ob 83/15a, 01.10.2015

 

OGH: Der Frage, ob es sich bei einem konkreten Verhalten um ein unleidliches Verhalten gem § 30 Abs 2 Z 3 MRG handelt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 ZPO zu, sofern dem Berufungsgericht nicht eine auffallende und im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Ebenso kann die Frage, ob bei einer Verhaltensänderung nach Einbringung der Aufkündigung der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist, nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3, 2. Fall MRG setzt erhebliche Störungen des friedlichen Zusammenlebens voraus. Die Störungen müssen entweder durch längere Zeit fortgesetzt werden oder sich in häufigen Wiederholungen äußern und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigen. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind, jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden. Der Vermieter ist also zur Aufkündigung berechtigt, wenn zwar nicht jeder einzelne Vorfall für sich betrachtet für eine Kündigung ausreicht, jedoch durch die Häufung das dem Vermieter zumutbare Ausmaß überschritten wird.

 

Zur Verwirklichung des Kündigungsgrundes ist es nicht erforderlich, dass allen Mitbewohnern des Hauses durch das Verhalten des Mieters das Zusammenwohnen verleidet wird; es genügt, wenn ein Teil der Mitbewohner oder auch nur ein einzelner Mitbewohner von einem derart qualifizierten Verhalten betroffen ist.

 

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG setzt nicht voraus, dass das Verhalten dem Störer subjektiv vorwerfbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann.

 

Grundsätzlich sind für die Beurteilung von Kündigungsgründen die Umstände im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung maßgeblich. Wenn allerdings der gekündigte Mieter nach Zustellung der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten einstellt, ist die Verhaltensänderung bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens mitzuberücksichtigen und kann bei Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose zur Klageabweisung führen, sofern die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen werden kann. Unter Umständen kann auch auf Entwicklungen Bedacht genommen werden, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bereits in die Wege geleitet wurden.

 

Im Sinne der dargestellten Rsp, wonach eine Wiederholung des unleidlichen Verhaltens ausgeschlossen sein muss, kann in der Argumentation des Berufungsgerichts keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Schon das eine Hilfe ablehnende Verhalten der Beklagten zeigt, dass eine Einsicht in ihr Krankheitsbild nicht vorhanden ist; damit wird eine positive Zukunftsprognose ausgeschlossen.

 

Die in der Revision zitierten Entscheidungen 3 Ob 29/06w und 7 Ob 628/91 sprechen nicht gegen diese Beurteilung. Der E 3 Ob 29/06w lagen Streitigkeiten in einer Lebensgemeinschaft zugrunde; es war mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass die beklagte Mieterin die beendete Lebensgemeinschaft wieder aufnehmen werde. In der E 7 Ob 628/91 konnte gerechtfertigt angenommen werden, dass es in Zukunft nicht mehr zu einer Wiederholung der vorgekommenen gravierenden Unzukömmlichkeiten kommen werde.