OGH: Teilschuldverschreibungen – zum Vertretungsumfang eines nach dem TSchVG bestellten Kurators
Der auf § 9 TSchVG gestützte Einwand der fehlenden Aktivlegitimation setzt voraus, dass es sich um eine im Anleiheverhältnis begründete gemeinsame Angelegenheit handelt, die die Rechtsposition aller Anleiheinhaber in gleicher Weise berührt
§ 9 TSchVG, § 1 TSchVG, §§ 1295 ff ABGB
GZ 4 Ob 176/15h, 20.10.2015
Die Klägerin erwarb 2006 die von einer AG emittierten Anleihen. Der Beklagte ist Vorstandsvorsitzender dieser Gesellschaft, über deren Vermögen 2010 das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet wurde. Das Insolvenzgericht bestellte nach § 1 TSchVG einen gemeinsamen Kurator in allen Angelegenheiten, die die gemeinsame Rechte der Besitzer der klagsgegenständlichen Teilschuldverschreibung betreffen.
Die Klägerin begehrt als Schadenersatz die Rückzahlung des für die Anleihe investierten Betrags. Sie habe aufgrund der unrichtigen und unvollständigen Marktinformation des Beklagten als Vorstand der AG in die Anleihe investiert. Wäre die Klägerin in Kenntnis der wahren Umstände gewesen, hätte sie vom Investment abgesehen. Wegen der vom Beklagten verletzten Schutzgesetze hafte dieser im Außenverhältnis gegenüber der Klägerin nach allgemeinem Deliktsrecht.
Vom OGH war zu klären, ob die Klägerin aktiv klagslegitimiert ist oder ob der aufgrund des TSchVG vom Insolvenzgericht bestellte Kurator allfällige Ansprüche der Anleihegläubiger geltend machen müsste. Der Senat verneinte den vom Beklagten auf das Vertretungsmonopol des Kurators gestützten Einwand der fehlenden Aktivlegitimation schon wegen der hohen Individualkomponente des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs, weil dieser vom konkret gefassten bzw hypothetischen Willensentschluss der Klägerin iZm ihrem Wissen von bestimmten Umständen abhängt. Für einen individuell zu beurteilenden Sachverhalt greift der dem TSchVG zugrundeliegende Bündelungsmechanismus nicht, weil damit die Rechtsposition aller Anleiheinhaber nicht in völlig gleicher Weise berührt wird.