09.11.2015 Zivilrecht

OGH: § 1325 ABGB – Berechnung des Verdienstentgangs

Damit dem Geschädigten der sich ergebende Differenzbetrag ungeschmälert verbleibt, müssen ihm auch die Steuern und Abgaben ersetzt werden, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen; diese ist daher so zu bemessen, dass sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht; dabei sind die aus den hypothetischen Bruttoeinkünften zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben und die aufgrund der Schadenersatzleistung zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben in zeitlicher Hinsicht vom gleichen Stichtag zu errechnen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Schmerzengeld, Verdienstentgelt, Berechnung
Gesetze:

 

§ 1325 ABGB, § 32 EStG

 

GZ 2 Ob 1/15h, 09.09.2015

 

OGH: Bei der Berechnung des Schadenersatzes für Verdienstentgang ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, bei welcher der hypothetische Vermögensstand ohne schädigendes Ereignis mit dem tatsächlich nach dem schädigenden Ereignis gegebenen verglichen wird. Dabei ist vom Nettoschaden auszugehen, weil dem Geschädigten vor dem Unfall auch nur die Nettoeinkünfte verblieben, also die um Steuer und sonstige Abgaben verminderten Bruttoeinkünfte. Vom hypothetischen Nettoverdienst, den der Geschädigte ohne den Unfall nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge erzielt hätte, ist der tatsächliche Nettoverdienst zuzüglich einer allenfalls zur Auszahlung gebrachten Sozialversicherungsrente abzuziehen. Damit dem Geschädigten der sich ergebende Differenzbetrag ungeschmälert verbleibt, müssen ihm auch die Steuern und Abgaben ersetzt werden, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen. Diese ist daher so zu bemessen, dass sie unter Berücksichtigung der durch sie wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht. Dabei sind die aus den hypothetischen Bruttoeinkünften zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben und die aufgrund der Schadenersatzleistung zu entrichtenden Steuern und sonstigen Abgaben in zeitlicher Hinsicht vom gleichen Stichtag zu errechnen.

 

Die einschlägige steuerrechtliche Regelung findet sich in § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG. Danach gehören zu den Einkünften iSd § 2 Abs 3 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene und entgehende Einnahmen gewährt werden. Darunter sind auch Entschädigungen aus dem Titel des Verdienstentgangs zu verstehen. § 32 EStG ist eine die §§ 21 bis 31 EStG ergänzende Zurechnungsvorschrift und schafft keine eigene Einkunftsart. Die von dieser Bestimmung erfassten Einkünfte sind vielmehr der Einkunftsart zuzurechnen, zu der sie wirtschaftlich gehören, hier also zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb iSd § 23 EStG. Im Veranlagungsjahr 2008 lag die tarifliche Nullzone bei einem Einkommen von 10.000 EUR, die mit der Steuerreform 2009 auf 11.000 EUR erweitert worden ist (§ 33 Abs 1 EStG). Bemessungsgrundlage ist der Gesamtbetrag der Einkünfte iSd § 2 Abs 2 EStG.

 

Die Vorinstanzen sind von den oben wiedergegebenen Berechnungskriterien insofern abgewichen, als sie dem von ihnen mit 6.800 EUR ermittelten Verdienstentgang nicht die durch die Schadenersatzleistung entstehende Einkommensteuer hinzugerechnet haben, sondern jene, die sich aus den hypothetischen Bruttoeinkünften des Klägers ergibt. Soweit ihre Berechnung von der Überlegung getragen sein sollte, dass die Einkommensteuer gleich hoch wie beim hypothetischen Einkommen sein müsse, weil die festgestellten tatsächlichen Nettoeinkünfte zuzüglich der Schadenersatzleistung in Summe den hypothetischen Nettoeinkünften entsprechen, vernachlässigen sie, dass von den tatsächlichen Einkünften lediglich ein Anteil von 7.415,13 EUR als einkommensteuerpflichtig zu berücksichtigen wäre, weshalb im aktenkundigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 die Einkommensteuer - insoweit für die Gerichte bindend - gem § 33 Abs 1 EStG mit 0 EUR festgesetzt worden ist. Das Berufungsgericht hat zwar auf den Einkommensteuerbescheid Bezug genommen, daraus jedoch unzutreffende Schlüsse gezogen.

 

Die beklagten Parteien machen zu Recht geltend, dass Feststellungen zu der Steuerbelastung des Klägers, die sich aus der Schadenersatzleistung selbst ergibt, bisher nicht getroffen wurden. Das wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.