OGH: Kündigung wegen Nichtzahlung des Mietzinses (§ 30 Abs 2 Z 1 MRG)
Bei einer Mahnung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung des Bestandgebers, die dem Bestandnehmer iSd § 862a ABGB zugehen muss, also derart in dessen Machtbereich zu gelangen hat, dass nach gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme durch ihn gerechnet werden kann
§ 30 MRG, § 862a ABGB
GZ 1 Ob 156/15w, 27.08.2015
OGH: Die Klägerin machte in der Aufkündigung (nur) den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG geltend. Nachdem die Beklagte gegen die Aufkündigung Einwendungen erhoben hatte, war die (nunmehr auch anwaltlich vertretene) Klägerin nach § 33 Abs 1 Satz 4 MRG gehalten, das Vorliegen aller vom Gesetz geforderten Tatbestandsmerkmale dieses Kündigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen. Andere Kündigungsgründe kann sie in diesem Verfahren nicht mehr geltend machen (§ 33 Abs 1 Satz 3 MRG).
Der Kündigungsgrund der Nichtzahlung des Mietzinses (§ 30 Abs 2 Z 1 MRG) setzt - im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung - voraus: a) einen noch bestehenden Rückstand an rechtswirksam vereinbartem oder gesetzlich vorgesehenem Mietzins, b) der mindestens seit acht Tagen fällig war und c) trotz Mahnung innerhalb der darin gesetzten oder wenigstens seither gewährten Nachfrist nicht entrichtet wurde. Die Mahnung kann nicht durch die Kündigung ersetzt werden und muss (wenigstens im Verlauf des Kündigungsverfahrens) als Teil des Kündigungstatbestands ausdrücklich behauptet und notfalls nachgewiesen werden. Sie bezweckt, den Mieter nochmals auf die bereits eingetretene Fälligkeit seiner Mietzinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch Setzung oder Gewährung einer Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch Bezahlung der Forderung die Gefahr der Aufkündigung abzuwenden. Die Mahnung kann nur dann entfallen, wenn damit ein reiner Formalakt gesetzt würde, so etwa bei unbekanntem Aufenthalt des Mieters oder wenn der Mieter die Leistung ausdrücklich verweigert.
Zwar hat die Klägerin entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ausreichende Behauptungen zu einem im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (5. 11. 2013) bestehenden, fälligen Mietzinsrückstand aufgestellt, auch wenn sie einen darüber hinausgehenden Mietzinsrückstand bis zum 31. 12. 2013 berechnete. Dessen Beurteilung, die Klägerin habe kein schlüssiges Vorbringen zur Verwirklichung des Kündigungstatbestands des § 30 Abs 2 Z 1 MRG erstattet, weil sie sich nicht darauf berief und nachwies, dass die Beklagte trotz vorheriger qualifizierter Mahnung den Mietzinsrückstand nicht entrichtet habe, und sie auch keine Gründe dafür vorbrachte, warum eine Mahnung nicht erforderlich gewesen wäre, ist dagegen nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hätte in der Revision bekannt geben müssen, wann sie denjenigen Mietzinsrückstand, auf den die Kündigung gestützt wird, gegenüber der Beklagten gemahnt hat. Dies unterlässt sie aber, wenn sie auf eine Urkunde verweist, die sie in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen als „Aufstellung per 27. 10. 2013“ bezeichnete und die keine Mahnung ist. Bei einer Mahnung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung des Bestandgebers, die dem Bestandnehmer iSd § 862a ABGB zugehen muss, also derart in dessen Machtbereich zu gelangen hat, dass nach gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme durch ihn gerechnet werden kann. Das trifft auf diese „Aufstellung“ der Klägerin über Mietzinsrückstände nicht zu. Mit ihrem völlig unsubstantiierten Revisionsvorbringen, dass die behaupteten Rückstände „bereits jeweils zuvor gemahnt“ worden seien, nennt sie überhaupt keine Zeitpunkte einer Mahnung und zeigt damit nicht konkret auf, dass eine solche jemals erfolgt ist.
Zwar kann die Mahnung auch durch eine vor der Zustellung der Aufkündigung zugestellte Mietzinsklage ersetzt werden, was auf die von der Klägerin erst danach - im Jahr 2014 - gegen die Beklagte eingebrachte Mahnklage nicht zutrifft.
Eine ausdrückliche Weigerung der Beklagten, die ihr von der Klägerin vorgeschriebenen Mietzinserhöhungen zu zahlen, steht nicht fest, sondern nur der Umstand, dass sie diese nicht zahlte. Eine ausdrückliche Leistungsverweigerung der Beklagten ihr gegenüber behauptet die Klägerin auch in der Revision nicht. Die - für die Erfüllung des Kündigungstatbestands des § 30 Abs 2 Z 1 MRG - erforderliche Mahnung ist im vorliegenden Fall kein bloßer Formalakt.