OGH: Unterhaltsvorschuss in dem Falle, dass zwar eine vor der Geburt außergerichtliche „Bestätigung“ der Vaterschaft abgegeben wurde, während des Abstammungsverfahrens aber dann doch „indirekt“ eine Bestreitung der Vaterschaft erfolgte?
Die rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft ist für eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG nur dann Voraussetzung, wenn die Vaterschaft bestritten oder sonst (völlig) ungewiss ist; die Frage, ob die Vaterschaft bestritten oder sonst ungewiss ist, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen
§ 4 UVG, § 231 ABGB
GZ 10 Ob 55/15h, 30.06.2015
OGH: Der Zweck des § 4 Z 2 UVG ist darin gelegen, dass der Staat mit seinen Leistungen nicht nur dann einspringen soll, wenn sich ein Unterhaltsschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren dem Zugriff auf sein Vermögen oder seine Einkünfte entzieht, sondern auch dann, wenn er durch sein Verhalten die Schaffung eines seinen Kräften entsprechenden Unterhaltstitels vereitelt (hat), obwohl er dem Grunde nach als Unterhaltsschuldner feststeht.
Dass jemand als Unterhaltsschuldner dem Grunde nach feststeht, erfordert nach LuRsp nicht die rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft, vielmehr wird der Tatbestand der Abstammung vorausgesetzt. Dieser kann etwa gem § 11 Abs 2 UVG aus Pflegschaftsakten oder durch Urkunden etc bescheinigt werden.
Eine rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft (etwa durch Erklärung vor Gericht, dem Jugendwohlfahrtsträger, dem Standesbeamten, einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland oder einem öffentlichen Notar) ist vom UVG als Voraussetzung für eine Bevorschussung an keiner Stelle gefordert. Die rechtswirksame Feststellung der Vaterschaft ist für eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG nur dann Voraussetzung, wenn die Vaterschaft bestritten oder sonst (völlig) ungewiss ist.
Nach dem Gesamtgefüge des UVG muss aber jedenfalls ein Unterhaltsschuldner vorhanden sein, dessen (gesetzliche) Unterhaltspflicht durch den Staat unter bestimmten, im Gesetz genau determinierten Voraussetzungen bevorschusst werden kann. Ist die Person des Vaters als Unterhaltsschuldner gänzlich unbekannt, scheidet eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG aus, weil es sich bei Unterhaltsvorschüssen nicht um Leistungen handelt, die Unterhaltszahlungen ersetzen, sondern bevorschussen sollen.
Mit diesen Grundsätzen der Rsp steht die Entscheidung des Rekursgerichts in Einklang:
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vorschussgewährung ist das Datum der Entscheidung erster Instanz. Zu diesem Zeitpunkt (dem 28. 2. 2011) war E***** G***** als potentieller Vater und Unterhaltsschuldner bekannt. Zu beurteilen war, ob aufgrund der objektiven Aktenlage zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen war, dass er die Vaterschaft anerkannt hat und (lediglich) die Schaffung eines Unterhaltstitels verzögern bzw vereiteln wollte oder ob er die Vaterschaft bestritten hat. Diese Frage lässt sich aber jeweils nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen und stellt keine über den besonderen Einzelfall hinausgehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Etwas anderes würde im Interesse der Rechtssicherheit nur gelten, wenn dem Gericht zweiter Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Eine solche zeigt der Revisionsrekurswerber mit seinen Ausführungen aber nicht auf. Die Ansicht des Rekursgerichts, das Verhalten und Vorbringen des E***** G***** habe - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz - eine Bestreitung der Vaterschaft zum Ausdruck gebracht, ist jedenfalls vertretbar.