OGH: Zur Beweislastverteilung bei unberechtigter Inanspruchnahme einer Bankgarantie (hier: Haftrücklassgarantie)
Für eine Beweislastumkehr zu Lasten der den (Rest-Kauf-)Preis fordernden Klägerin besteht keine Veranlassung; § 4 Abs 4 BTVG, der den Bauträger verpflichtet, dem Erwerber einen Haftrücklass von zumindest 2 % des Preises einzuräumen, führt zu keinem anderen Ergebnis; diese Bestimmung enthält keine Regelung über die Beweislast
§§ 1065 ff ABGB, § 880a ABGB, § 4 BTVG
GZ 8 Ob 19/15z, 25.06.2015
OGH: Der Haftrücklass (das vertragliche Recht des Bestellers bzw Käufers, einen Teil des Werklohns bzw Kaufpreises zurückzubehalten) oder die Haftrücklassgarantie (mit dem Zweck, den Begünstigten so zu stellen, als ob er die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte) sollen insbesondere die Gewährleistungsansprüche sichern und damit auch den Anspruch des Bestellers (Käufers) auf Verbesserung des mangelhaften Werks. Sinn einer Bankgarantie, die an Stelle eines sonst vereinbarten Haftrücklasses gegeben wird, ist nicht nur, dem Begünstigten eine Sicherheit zu geben. Vielmehr soll der Begünstigte so gestellt werden, als ob er (im gegebenen Zusammenhang) die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte.
Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner wegen Mängeln des Valutaverhältnisses auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen. Im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Begünstigtem kommt es also grundsätzlich für die Frage der Berechtigung der Leistungskondiktion darauf an, ob dem Begünstigten bei Abruf der Garantie und Zahlung durch den Garanten aus dem Valutaverhältnis der entsprechende Anspruch zustand oder nicht.
Mit der Haftrücklassabrede wird lediglich die Fälligkeit dieses Teils des vom Werkbesteller geschuldeten Werklohnanspruchs hinausgeschoben. Auch die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie hat darauf keinen Einfluss, denn der Werkunternehmer, der als Garantiebesteller vom Werkbesteller (Garantiebegünstigten) die Rückzahlung der zu Unrecht abgerufenen Garantieleistung begehrt, macht damit im Ergebnis nichts anderes geltend als den (restlichen) Werklohn. Der Parteiwille ist lediglich darauf gerichtet, dass die Haftrücklassgarantie den Haftrücklass ersetzen, sonst aber keine Veränderung der Rechtspositionen herbeiführen soll. Die vom Unternehmer bestellte Haftrücklassgarantie gibt dem Besteller die Möglichkeit, einen Teil des bereits vollständig gezahlten Werklohns zurückzuerlangen und damit den bei einer reinen Haftrücklassvereinbarung bestehenden Zustand herzustellen; soweit der Besteller von dieser Möglichkeit unberechtigt Gebrauch macht, lebt der Werklohnanspruch daher gleichsam wieder auf.
Nach dem Abruf der Garantie sind die Parteien so gestellt, als hätten die Beklagten diesen Teil des Kaufpreises (oder Werklohns) noch nicht bezahlt und die Klägerin diesen Betrag (noch) nicht erhalten. Es stellt sich daher die Frage, ob die Beklagten berechtigt sind, den als Haftrücklass vereinbarten, durch eine Bankgarantie sichergestellten Betrag gegenüber der - die (restliche) Kaufpreiszahlung fordernden - Klägerin zurückzubehalten.
Die grundsätzliche Fälligkeit des (restlichen) Kaufpreises (bzw Werklohns) war laut unstrittigem Vertragsinhalt bereits mit der Übergabe des Hauses eingetreten. Für die - von den Beklagten erhobene - Behauptung, der zum Reihenhaus gehörende Garten sei nicht vertragskonform hergestellt worden, sind die Beklagten beweispflichtig. Für eine Beweislastumkehr zu Lasten der den (Rest-Kauf-)Preis fordernden Klägerin besteht - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - keine Veranlassung.
§ 4 Abs 4 BTVG, der den Bauträger verpflichtet, dem Erwerber einen Haftrücklass von zumindest 2 % des Preises einzuräumen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Bestimmung enthält keine Regelung über die Beweislast. Sie soll das Risiko des Erwerbers, der im Bauträgergeschäft typischerweise vorauszahlungspflichtig ist, reduzieren und seine Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche absichern. Mangels einer speziellen Regelung über die Beweislast ändert sie daher nichts daran, dass jede Partei die jeweils für ihren Rechtsstandpunkt erforderlichen Tatsachen beweisen muss.
Den Beklagten ist der Beweis, dass ihnen die Klägerin die Gartenfläche nicht in der im Vertrag festgelegten Ausstattung übergeben habe, nicht gelungen. Ihr Standpunkt, unabhängig von der vertraglich vereinbarten Ausstattung dürfe ein Gartenboden nicht für die Gartennutzung völlig ungeeignet sein, was er aber wäre, wenn der Boden wasserundurchlässig wäre, vermag daran nichts zu ändern, weil ihnen auch der Beweis, dass der zunächst vorhandene Untergrund wasserundurchlässig war, nicht gelungen ist.