OGH: Gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht iSd § 216 Abs 1 Z 2 EO (iZm Aufschließungsabgabe nach § 38 NÖ BauO 1996)
Die vorzugsweise Berücksichtigung setzt voraus, dass für die öffentliche Abgabe ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht ausdrücklich eingeräumt ist; dass die Abgabe von der Liegenschaft zu entrichten ist, genügt hingegen nicht
§ 216 EO, § 38 NÖ BauO 1996
GZ 3 Ob 105/15k, 17.06.2015
OGH: Bei der Verteilung des Meistbots sind gem § 216 Abs 1 Z 2 EO vor den auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Forderungen ua rechtzeitig angemeldete, aus den letzten drei Jahren vor dem Tag der Zuschlagserteilung rückständige, von der Liegenschaft zu entrichtende öffentliche Abgaben zu berichtigen, die nach den bestehenden Vorschriften ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht genießen.
Diese vorzugsweise Berücksichtigung setzt nach stRsp des erkennenden Senats voraus, dass für die öffentliche Abgabe ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht ausdrücklich eingeräumt ist; dass die Abgabe von der Liegenschaft zu entrichten ist, genügt hingegen nicht.
Für die hier maßgebende Aufschließungsabgabe nach § 38 NÖ BauO 1996 besteht keine - etwa § 11 GrStG für Grundsteuerschulden vergleichbare - ausdrückliche Regelung über ein gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht iSd § 216 Abs 1 Z 2 EO. Die Bestimmung des § 9 NÖ BauO 1996, wonach allen Bescheiden nach diesem Gesetz grundsätzlich (von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen) insofern eine dingliche Wirkung zukommt, als daraus erwachsende Rechte oder Pflichten auch vom Rechtsnachfolger geltend gemacht werden dürfen oder zu erfüllen sind, bedeutet nämlich nur, dass es sich (auch) bei der Aufschließungsabgabe um eine „von der Liegenschaft“ zu entrichtende Abgabe iSd § 216 Abs 1 Z 2 EO handelt (3 Ob 96/85; in diesem Sinne auch 3 Ob 16/86 zur inhaltlich vergleichbaren Bestimmung des § 129b Abs 1 der BO für Wien in der Fassung der Novelle 1976).
Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass nicht einmal § 9 der mit 1. 2. 2015 in Kraft getretenen NÖ BauO 2014 (LGBl Nr 1/2015) ein gesetzliches Vorzugspfandrecht für die Aufschließungsabgabe normiert; bezieht sich Abs 3 dieser Bestimmung doch ausdrücklich nur auf alle Kosten, die dem Rechtsträger der Behörde für eine im Wege der Ersatzvornahme (§ 4 VVG) in Vollziehung eines baupolizeilichen Auftrags erbrachte Leistung erwachsen ist.
Auch die Gemeinde hat in ihrem Rekurs keine konkrete Rechtsgrundlage für das behauptete Vorzugsrecht angeführt, sondern lediglich damit argumentiert, dass in Niederösterreich ein gesetzliches Vorzugspfandrecht für die Grundsteuer und die Bodenwertabgabe bestehe und ein solches aufgrund der NÖ BauO „wohl auch für die Aufschließungsabgabe“ bestehe.
Die vom Rekursgericht ins Treffen geführte Entscheidung 3 Ob 96/85 kann die von der Gemeinde und vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht auch im Ergebnis nicht stützen: Abgesehen davon, dass sich diese Entscheidung naturgemäß nicht auf die NÖ BauO 1996 beziehen konnte, sondern den Aufschließungsbeitrag nach § 14 Abs 8 NÖ BauO 1976 betraf, hat der OGH darin ausdrücklich festgehalten, dass der zitierten Bestimmung nicht zwingend zu entnehmen ist, dass diese Abgabe ein gesetzliches Pfand- und Vorzugsrecht genießt, wenngleich er - obiter - ausführte, dass in je einer (näher bezeichneten) Entscheidung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs „irgendwie anklingt“, dass ein solches gesetzliches Pfand- oder Vorzugsrecht aus der Vorschrift des § 173 Abs 2 NÖ Abgabenordnung 1977 ableitbar sei.
Ein näheres Eingehen auf die letztgenannte Vorschrift erübrigt sich allerdings schon deshalb, weil die NÖ Abgabenordnung 1977 zufolge § 12 Abs 2 NÖ Abgabenbehördenorganisationsgesetz 2009 mit dessen Inkrafttreten am 1. 1. 2010 - also lange vor Erlassung des Rückstandsausweises (und auch des diesem zugrunde liegenden Abgabenbescheids vom 29. 9. 2011) - außer Kraft trat. Ein Vorzugsrecht für die Aufschließungsabgabe ergibt sich auch nicht aus der nunmehr anzuwendenden BAO (§ 1 Abs 1 iVm § 323a BAO).
Da die vorzugsweise Zuweisung an die Gemeinde also schon am fehlenden gesetzlichen Vorzugsrecht scheitert, muss die Rechtzeitigkeit der Forderungsanmeldung nicht mehr geprüft werden.