OGH: Prozesskosten eines Vorverfahrens als kausale Folge einer Schlechterfüllung (iZm Fehlberatung durch Anwalt)?
In zahlreichen Entscheidungen wurde die Ersatzpflicht für derartige Kosten dann bejaht, wenn die Kosten nicht durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen entstanden sind und wenn im Einzelfall ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der verletzten Vertragspflicht und dem Kostenschaden besteht, was dann der Fall ist, wenn die (verletzte) Verpflichtung gerade auch Schäden wie die zu beurteilenden verhindern soll; Kosten eines ersichtlich aussichtslosen Prozesses sind jedenfalls nie zu ersetzen; Sinn und Zweck des Vertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten liegen darin, dem Mandanten zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen, darüber hinaus aber auch darin, den Mandanten vor Nachteilen zu bewahren; dieser Schutzzweck erschöpft sich aber iZm der Einleitung und der Führung eines Rechtsstreits nicht nur im Rechtsstreit selbst, sondern umfasst auch die Vermeidung von Nachteilen, die vorhersehbar mit der Führung und insbesondere mit dem Verlust des Prozesses verbunden sein können
§§ 1295 ff ABGB, §§ 922 ff ABGB, §§ 1002 ff ABGB, § 9 RAO
GZ 8 Ob 17/15f, 27.05.2015
OGH: Richtig ist, dass nach überwiegender, regelmäßig iZm Werkverträgen ergangener Rsp die bloße Schlechterfüllung eines Vertrags im Allgemeinen nicht bzw nur dann zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten führt, wenn der Regresspflichtige neben der Verletzung der Hauptleistungspflicht weitere Pflichten (etwa Informationspflichten) verletzt hat oder etwa der Auftraggeber vom nunmehr Regresspflichtigen veranlasst oder darin bestärkt wurde, sich auf das Verfahren gegen einen Dritten einzulassen. In zahlreichen Entscheidungen wurde aber die Ersatzpflicht für derartige Kosten dann bejaht, wenn die Kosten nicht durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen entstanden sind und wenn im Einzelfall ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der verletzten Vertragspflicht und dem Kostenschaden besteht, was dann der Fall ist, wenn die (verletzte) Verpflichtung gerade auch Schäden wie die zu beurteilenden verhindern soll. Kosten eines ersichtlich aussichtslosen Prozesses sind jedenfalls nie zu ersetzen.
Es ist nicht strittig, dass sich der nunmehrige Kläger im Vertrauen auf die (sich später als unrichtig erweisende) Rechtsberatung durch die Beklagte in den Räumungsprozess eingelassen hat. Dass eine Niederlage des nunmehrigen Klägers in diesem Räumungsprozess wegen der damit feststehenden Beendigung des Bestandverhältnisses (auch gerichtlich geltend gemachte) Forderungen des Vermieters auf Benützungsentgelt zur Folge haben wird, war vorhersehbar. Die Klage des Vermieters gegen den nunmehrigen Kläger auf Benützungsentgelt war daher nicht „auf eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen“ zurückzuführen, sondern - insbesondere wegen der rechtlichen Problematik iZm der Absperrung des Zugangs zum Bestandobjekt durch den Vermieter - erwartbare Folge einer möglichen Niederlage im Räumungsprozess. Die Kosten des Verfahrens über das Benützungsentgelt sind daher durch den Umstand, dass die Beklagte den Kläger anlässlich des Räumungsprozesses unrichtig beraten hat, adäquat verursacht.
Dass die Führung des Verfahrens über das Benützungsentgelt erkennbar aussichtslos gewesen und die in diesem Verfahren vom Kläger (bzw von seinem nunmehrigen Rechtsvertreter) vertretene Rechtsauffassung unvertretbar gewesen wäre, behauptet keine der Streitparteien.
Nach der Rsp kommt auch dem titellosen Benützer hinsichtlich des Benützungsentgelts eine unverschuldete Minderung der Gebrauchsfähigkeit der Sache zugute, wie sie beim aufrechten Mietverhältnis den Bestandnehmer zur Minderung des Bestandzinses berechtigen würde. Die hier zu beurteilende Konstellation wurde allerdings (soweit überblickbar) bisher in der Rsp noch nicht behandelt: Der Kläger konnte nämlich im betroffenen Zeitpunkt das Bestandobjekt nicht benützen, weil der Vermieter auf den Mietzinsrückstand des Klägers nicht mit der Beschreitung des Rechtswegs sondern im Wege der Selbsthilfe durch die Absperrung des Zugangs zum Objekt reagierte. Es war daher keineswegs von vornherein unvertretbar bzw erkennbar aussichtslos, davon auszugehen, dass dem Vermieter für einen Zeitraum, in dem der Mieter (aus jedenfalls auch dem Vermieter zurechenbaren Gründen) das Bestandobjekt nicht benützen kann, kein Benützungsentgelt bzw jedenfalls kein Benützungsentgelt in Höhe des gesamten Mietzinses zusteht. Da diese Frage in der Rsp nicht hinreichend geklärt war, wäre für den Kläger das vorprozessuale Anerkenntnis der Benützungsentgeltforderung des Vermieters keineswegs risikolos gewesen, weil er in diesem Fall im darauffolgenden Regressprozess gegen die Beklagte mit dem Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht hätte rechnen müssen. Von einer unvertretbaren oder erkennbar aussichtslosen Prozessführung kann daher nicht ausgegangen werden.
Die vom Schutzzweck eines Vertrags umfassten Interessen, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, sind aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln; die Betrachtung hat sich dabei am konkreten Vertragszweck auszurichten.
Gem § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie ua Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der Hauptpflicht des Rechtsanwalts sind, nämlich der Pflicht zur Interessenswahrung und zur Rechtsbetreuung.
In diesem Sinne liegen Sinn und Zweck des Vertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten darin, dem Mandanten zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen, darüber hinaus aber auch darin, den Mandanten vor Nachteilen zu bewahren. Dieser Schutzzweck erschöpft sich aber iZm der Einleitung und der Führung eines Rechtsstreits nicht nur im Rechtsstreit selbst, sondern umfasst auch die Vermeidung von Nachteilen, die vorhersehbar mit der Führung und insbesondere mit dem Verlust des Prozesses verbunden sein können.
Im Falle der unrichtigen Beratung des Rechtsanwalts hat der Mandant Anspruch auf Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Es ist die Vermögensdifferenz zu ersetzen, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre.
Dies bedeutet hier, dass die Beklagte als Folge der ihr zuzurechnenden Fehlberatung dem Kläger nicht nur das von ihm aufgrund der urteilsmäßigen Verpflichtung gezahlte (hier nicht mehr strittige) Benützungsentgelt, sondern auch die im Rechtsstreit darüber entstandenen Kosten zu ersetzen hat, zumal der Kläger bei richtiger Beratung die Rückstellung des Hauses an den Vermieter nicht hinausgezögert hätte und demgemäß keine Benützungsentgeltforderung und daher auch keine Kosten iZm ihrer Durchsetzung entstanden wären.
Dass der Kläger im Vorprozess um das Benützungsentgelt bereits von einem anderen Rechtsanwalt vertreten war, ändert daran nichts. Die Fehlberatung durch die Beklagte im Räumungsprozess ist auch nach dem Einschreiten des nunmehrigen Rechtsanwalts des Klägers als Schadensursache wirksam geblieben. Der Schaden des Klägers ist entscheidend darauf zurückzuführen, dass ihn die Beklagte unrichtig beraten hat. Dass ihm sein nunmehriger Anwalt zur - im Übrigen wie gezeigt nicht unvertretbaren - Prozessführung über das Benützungsentgelt geraten hat, kann die Beklagte daher nicht entlasten.