24.08.2015 Zivilrecht

OGH: Volatile Wertpapiere – Verjährung iZm Anlageberaterhaftung

Nach den getroffenen Feststellungen fiel der Klägerin und ihrem Ehegatten der drastische Wertverlust der Immobilienaktien auf, als die Klägerin spätestens im März 2008 den Depotauszug für das Kalenderjahr 2007 erhielt; ihnen beiden wurde zu diesem Zeitpunkt klar, dass sie in volatile Wertpapiere investiert hatten und nicht in ein sicheres Produkt, bei dem man jedenfalls das investierte Kapital wieder zurückbekommt; daraus folgt, dass die Verjährungsfrist iZm dem Erwerb volatiler Wertpapiere im März 2008 zu laufen begann, kommt doch vor dem Hintergrund dieser Feststellungen der Auskunft des Anlageberaters, die Aktien seien unterbewertet und sie sollten diese behalten, weil sie im Wert wieder steigen würden, keine die Erkennbarkeit des Schadenseintritts hinausschiebende Wirkung zu


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Anlageberaterhaftung, Verjährung, volatile Wertpapiere
Gesetze:

 

§ 1489 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 870 ABGB

 

GZ 7 Ob 221/14x, 30.04.2015

 

OGH: Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 erster Satz ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekanntgeworden ist. Es kommt entscheidend darauf an, wann der Geschädigte die für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann. Dabei sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich.

 

Im Zuge des Ankaufs von Wertpapieren oder Veranlagungen kann die Kursentwicklung einen Indikator für die vom Anleger unerwünschte Risikoträchtigkeit einer Anlageform und für eine Fehlberatung abgeben. Einem Anleger, der davon ausgeht, dass die ihm vermittelte Anlageform keinem Kursrisiko unterliegt, muss ein Irrtum in dem Moment bewusst werden, in dem ihm bekannt wird, dass sein Anlageprodukt eine negative Kursentwicklung nimmt. Eindeutiges Indiz für den Anleger sind an ihn gerichtete Depotstands- oder Kontostandsauszüge und Mitteilungen zBl des Emittenten oder des Beraters. Ist dem Anleger aus derartigen Unterlagen ein aktueller Wertverlust erkennbar, muss ihm auch klar sein, dass er entgegen der ihm erteilten Beratung sein Geld für ein Kursschwankungen unterworfenes Wertpapier ausgegeben hat. Auf Grund der Kenntnis des Kursverlusts liegt somit die Kenntnis der falschen Risikoklasse und des Beratungsfehlers auf der Hand.

 

Versuchen von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, kann in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen. Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegen gehalten werden kann.

 

Nach den getroffenen Feststellungen fiel der Klägerin und ihrem Ehegatten der drastische Wertverlust der Immobilienaktien auf, als die Klägerin spätestens im März 2008 den Depotauszug für das Kalenderjahr 2007 erhielt. Ihnen beiden wurde zu diesem Zeitpunkt klar, dass sie in volatile Wertpapiere investiert hatten und nicht in ein sicheres Produkt, bei dem man jedenfalls das investierte Kapital wieder zurückbekommt. Daraus folgt, dass die Verjährungsfrist iZm dem Erwerb volatiler Wertpapiere im März 2008 zu laufen begann, kommt doch vor dem Hintergrund dieser Feststellungen der Auskunft des Anlageberaters, die Aktien seien unterbewertet und sie sollten diese behalten, weil sie im Wert wieder steigen würden, keine die Erkennbarkeit des Schadenseintritts hinausschiebende Wirkung zu. Vielmehr wurde dadurch nur die Hoffnung der Klägerin und ihres Ehegatten genährt, dass vielleicht bei guter Kursentwicklung der eingetretene Schaden verringert werden könnte; dass sie darauf vertraut haben, steht auch nicht fest.

 

Aus der Feststellung, dass die Klägerin und ihr Ehegatte sowie der Anlageberater eine Investition in Immobilienaktien für eine sichere Anlageform hielten, weshalb man auf eine Streuung der Anlage in andere Asset-Klassen verzichtete, folgt zwingend, dass der Klägerin und ihrem Ehegatten mit dem Erkennen des Erwerbs volatiler Wertpapiere im März 2008 auch die Problematik der fehlenden Streuung zur Kenntnis gelangte. Damit hatten sie auch in diesem Zusammenhang Kenntnis vom objektiven - die Haftung des Vermögensberaters begründenden - Sachverhalt, sodass auch insofern die Verjährungsfrist zu laufen begann, weil es auf die erforderlichen Rechtskenntnisse oder auf die richtige rechtliche Qualifikation des - bekannten - Sachverhalts für die Ingangsetzung der Verjährungsfrist nicht ankommt.

 

Daher waren im Zeitpunkt der Klagseinbringung im Vorprozess am 15. 9. 2011 die Schadenersatzansprüche der Klägerin und ihres Ehegatten insgesamt verjährt.