VwGH: Tatort iSd § 27 Abs 1 VStG bei Übertretungen des AZG
Es kommt in einem Fall, in dem das nach außen vertretungsbefugte Organ des (gesamten) Unternehmens zur Verantwortung gezogen wird, nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird (insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes); auch der Umstand, dass eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist und die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragen Geschäfte selbständig besorgt, ändert an der örtlichen Zuständigkeit zur Untersuchung und Bestrafung derartiger Übertretungen nach dem AZG iSd § 27 Abs 1 VStG nichts
§ 28 AZG, § 27 VstG, § 2 VStG
GZ Ra 2015/11/0005, 10.06.2015
VwGH: Bei Unterlassung der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Einhaltung der in Betracht kommenden Arbeitszeiten durch den Arbeitnehmer zu ermöglichen, sie zu überprüfen und alle sonstigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicher zu stellen, ist der Tatort iSd § 27 Abs 1 VStG - so die stRsp des VwGH - dort anzunehmen, wo der Arbeitgeber hätte handeln sollen, folglich an jenem Ort, an dem die gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde bzw dort, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Dieser Ort wird, wenn eine solche Unterlassung iZm dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens, genauer: dem Sitz der Unternehmensleitung, zusammen fallen. Es kommt daher in einem Fall, in dem das nach außen vertretungsbefugte Organ des (gesamten) Unternehmens zur Verantwortung gezogen wird, nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird (insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes). Auch der Umstand, dass eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist und die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragen Geschäfte selbständig besorgt, ändert an der örtlichen Zuständigkeit zur Untersuchung und Bestrafung derartiger Übertretungen nach dem AZG iSd § 27 Abs 1 VStG nichts.
Vorauszuschicken ist, dass im Tatzeitraum jeweils kein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG bestellt war, auch nicht der Zweigniederlassungsleiter H.
Nach den Feststellungen des VwG befindet sich der Sitz der Unternehmensleitung (Hauptniederlassung) in T. Dass auch an der Zweigniederlassung in B einzelne Aufgaben der Unternehmensleitung durch den Niederlassungsleiter H wahrgenommen werden, welche nach den Feststellungen va in Hinblick auf die Überprüfung der Arbeitszeit der Fahrer nachprüfender Natur sind bzw über Verständigung der Mitarbeiterin S der Hauptniederlassung erfolgen, ändert nichts daran, dass der Arbeitgeber (hier: der Revisionswerber als vertretungsbefugtes Organ des Arbeitgebers) am Sitz der Unternehmensleitung die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätte setzen müssen. Dem Ort, an dem (auch) die festgestellten Kontrolltätigkeiten ausgeübt werden, kommt demgegenüber nachrangige Bedeutung zu. Es ist demnach davon auszugehen, dass als Tatort der Sitz der Unternehmensleitung in T anzusehen war. Für eine Anwendung des § 27 Abs 2 VStG war angesichts dessen kein Platz.
Das VwG ist mithin von der Rsp des VwGH abgewichen. In den Revisionsfällen war die belBeh gem § 27 Abs 1 VStG örtlich unzuständig, weil sich laut Feststellungen des VwG der Sitz der Unternehmensleitung der P GmbH nicht in deren Sprengel befindet.