VwGH: Unterentlohnung iSd § 7i Abs 3 AVRAG aF
Zweck der Regelungen des AVRAG ist es, Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, weil dadurch nicht nur Arbeitnehmer/innen das ihnen zustehende Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung vorenthalten, sondern auch ein fairer Wettbewerb zwischen den Unternehmen untergraben wird; dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn für die rechtmäßige Entlohnung von Arbeitskräften effiziente und durchsetzbare Kontrollmechanismen bestehen und im Fall von Übertretungen wirksame Sanktionen zur Verfügung stehen; der Strafrahmen des § 7i Abs 3 AVRAG aF ist jenem des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG nachgebildet; es ist nicht zu ersehen, dass die im Gesetz vorgesehenen Strafen oder auch die im vorliegenden Fall verhängten Strafen über das Maß des Erforderlichen hinausgingen, um die Einhaltung dieser Regelungen zu bewirken
§ 7i AVRAG, § 28 AuslBG
GZ 2013/11/0121, 10.06.2015
VwGH: Ein Absehen von der Verhängung von Strafen wäre nach § 7i Abs 4 AVRAG aF nur in Betracht gekommen, wenn a) die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers geringfügig gewesen wäre und b) er die Differenz zum gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich geleistet hätte.
Soweit der Bf eine geringe Unterschreitung in 11 von 34 Fällen vorbringt, ist ihm unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom 23. September 2014, Ro 2014/11/0083, und vom 23. Oktober 2014, Ro 2014/11/0071, entgegenzuhalten, dass auch prozentuell niedrige Unterentlohnungen nur dann als gering eingestuft werden können, wenn sie durch eine kurze Dauer und niedrige absolute Geldbeträge gekennzeichnet sind. Selbst die gegenständlichen Unterentlohnungen von 1,1% bis 4,2% können dann nicht mehr als gering eingestuft werden, wenn sie sich - wie in den vom Bf angesprochenen Fällen - über einen Zeitraum von zumindest 2 Monaten, in der Mehrzahl der Fälle jedoch über 17 Monate erstrecken. Bei einer derart langen Dauer der Unterschreitung kann sich nämlich sogar bei einer Unterentlohnung von 1,1% rechnerisch kein geringer absoluter Fehlbetrag mehr ergeben.
Der Umstand, dass mehrere Arbeitnehmer von der Unterentlohnung iSd § 7i Abs 3 AVRAG aF betroffen waren, lässt das Verschulden des Bf nicht mehr als geringfügig ansehen. In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der 34 Arbeitnehmer betroffen waren, kann daher nicht angenommen werden, dass das Verschulden geringfügig wäre. Dazu kommt, dass der Bf - wie sich aus den unbestrittenen Feststellungen der belBeh ergibt - kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hatte, um die Einhaltung der Lohnkriterien in seinem Betrieb sicherzustellen, sodass auch unter dem Aspekt des (bis 30. Juni 2013 noch in Kraft gestandenen) § 21 VStG nicht von einem geringfügigen Verschulden ausgegangen werden kann.
Dem Argument schließlich, die Behörde habe dem Bf entgegen § 7i Abs 4 AVRAG aF keine Frist für die Lohnnachzahlungen gesetzt, ist entgegenzuhalten, dass der Bf vier Monate nach der Anzeigeerstattung durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse der Erstbehörde gegenüber bekanntgegeben hat, die Nachzahlungen nicht leisten zu können, ohne seinen Betrieb zu gefährden. Gleiches wird im Übrigen auch noch in der Beschwerde geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund kann den Behörden nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Fristsetzung nicht mehr für erforderlich hielten.
Abgesehen davon, dass der Bf die Differenzbeträge nicht geleistet hatte, kam aber ein Absehen von der Verhängung von Strafen nach § 7i Abs 4 AVRAG aF schon deshalb nicht in Betracht, weil im Beschwerdefall, wie eben gezeigt, weder geringe Unterentlohnung noch geringfügiges Verschulden vorlag.
Wie sich aus den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid weiter ergibt, hatte der Bf auch keine Anstrengungen unternommen, den entstandenen Schaden durch zumindest teilweise Nachzahlungen an seine Arbeitnehmer zu verringern. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Dauer und der großen Anzahl der Fälle von Unterentlohnungen ist der belBeh nicht entgegenzutreten, wenn sie nicht vom Überwiegen der Milderungsgründe iSd § 20 VStG (Geständnis, nicht entschuldigender Rechtsirrtum über die zustehenden Grundlöhne) ausging, sondern die in § 7i Abs 3 AVRAG aF vorgesehenen Strafen - ohnehin unter Heranziehung bloß der Mindestsätze - verhängt hat.
Zweck der Regelungen des AVRAG ist es, Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, weil dadurch nicht nur Arbeitnehmer/innen das ihnen zustehende Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung vorenthalten, sondern auch ein fairer Wettbewerb zwischen den Unternehmen untergraben wird. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn für die rechtmäßige Entlohnung von Arbeitskräften effiziente und durchsetzbare Kontrollmechanismen bestehen und im Fall von Übertretungen wirksame Sanktionen zur Verfügung stehen. Der Strafrahmen des § 7i Abs 3 AVRAG aF ist jenem des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG nachgebildet. Es ist nicht zu ersehen, dass die im Gesetz vorgesehenen Strafen oder auch die im vorliegenden Fall verhängten Strafen über das Maß des Erforderlichen hinausgingen, um die Einhaltung dieser Regelungen zu bewirken.
Der VwGH sieht sich daher nicht veranlasst, gem Art 140 Abs 1 B-VG eine Prüfung des § 7i Abs 3 AVRAG (aF) beim VfGH zu beantragen.