OGH: Zur Frage, wie ein Baderecht zugunsten von landwirtschaftlichen Grundstücken als Grunddienstbarkeit zu beurteilen ist
Die Inanspruchnahme der Bademöglichkeit zu Freizeit- und Erholungszwecken könnte - entgegen der Auffassung des Revisionsgegners - schon deshalb nicht als vorteilhaftere Nutzung der von ihm als „maßgeblich“ bezeichneten (landwirtschaftlichen) Grundstücke betrachtet werden, weil sich auf diesen Grundstücken ja grundsätzlich niemand regelmäßig aufhält und im Zusammenhang damit auch sein Erholungsbedürfnis befriedigen möchte; nach den Feststellungen der Vorinstanzen handelt es sich bei diesen an den See angrenzenden Grundstücken um Äcker, Wiesen und Weiden; ein Aufsuchen dieser Grundstücke zum Betreten des Sees geht über die widmungsgemäße Nutzung hinaus und kann schon deshalb nicht als vorteilhaftere Benützung iSd § 473 ABGB angesehen werden; auf eine vorteilhaftere Nutzung des Wohnbereichs der Hofliegenschaft, der sich in erheblicher Entfernung vom See befindet und durch mehrere landwirtschaftlich genutzte Grundstücke von diesem getrennt ist, beruft sich der Revisionsgegner nicht
§ 473 ABGB, §§ 1452 ff ABGB, § 8 WRG, § 523 ABGB
GZ 1 Ob 76/15f, 21.05.2015
OGH: Es geht - einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb gem § 1500 ABGB behauptet die Klägerin nicht - allein darum, ob eine Grunddienstbarkeit des Baderechts zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Hofliegenschaft durch Ersitzung begründet wurde. Derartiges wurde vom OGH etwa in einem Fall für möglich gehalten (8 Ob 235/64), in dem ein Liegenschaftseigentümer einen Campingplatz betrieb, dessen Benützer im angrenzenden See eines anderen Eigentümers badeten. Dazu wurde ausgeführt, dass die Grunddienstbarkeit des Baderechts sehr wohl der vorteilhafteren Benützung des Grundstücks iSd § 473 ABGB dienen könne, wobei es sich nicht gerade um die gewerbsmäßige Ausnützung einer solchen Möglichkeit handeln müsse. Der wirtschaftliche Wert eines Grundstücks, das an ein in fremdem Privateigentum stehendes Gewässer grenzt, könne erblich dadurch beeinflusst werden, ob der jeweilige Eigentümer des Grundstücks berechtigt ist, von diesem Grundstück aus im Gewässer zu baden und anderen Personen die Nutzung des Gewässers zu diesem Zweck zu ermöglichen.
Gegenteilig entschied der OGH hingegen in der Entscheidung zu 1 Ob 11/65. In dieser ging es um das Baden in einem fremden See ausgehend von einem landwirtschaftlichen Anwesen, also einem dem hier zu beurteilenden durchaus vergleichbaren Fall. Der OGH führte aus, das Baden des Liegenschaftseigentümers, seiner Eltern und des Gesindes im See stelle eine Annehmlichkeit für sie persönlich dar; das Erfordernis der „utilitas praedii“, also eines Vorteils für die widmungsgemäße Nutzung und Bewirtschaftung des Grundstücks, lasse sich daraus aber nicht konstruieren. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts spielte es für die Beurteilung des OGH keine Rolle, ob der See damals leicht oder schwer zugänglich war.
Im vorliegenden Fall berief sich der Beklagte allerdings gar nicht darauf, dass die von ihm behauptete Dienstbarkeit eine (erheblich) vorteilhaftere Benützung bestimmter Grundstücke - etwa iZm einer landwirtschaftlichen Verwendung - mit sich bringe, sondern führte lediglich aus, schon seine Rechtsvorgänger (im Liegenschaftseigentum) hätten von bestimmten zur Hofliegenschaft gehörenden Grundstücken im See gebadet und an der Berechtigung dazu nicht gezweifelt. Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch und mangels jeglicher abweichender Behauptung kann dies nur als Inanspruchnahme der Bademöglichkeit zu Freizeit- und Erholungszwecken verstanden werden. Dies könnte aber - entgegen der Auffassung des Revisionsgegners - schon deshalb nicht als vorteilhaftere Nutzung der von ihm als „maßgeblich“ bezeichneten (landwirtschaftlichen) Grundstücke betrachtet werden, weil sich auf diesen Grundstücken ja grundsätzlich - anders als etwa im Fall 8 Ob 235/64 - niemand regelmäßig aufhält und im Zusammenhang damit auch sein Erholungsbedürfnis befriedigen möchte; nach den Feststellungen der Vorinstanzen handelt es sich bei diesen an den See angrenzenden Grundstücken um Äcker, Wiesen und Weiden. Ein Aufsuchen dieser Grundstücke zum Betreten des Sees geht - ebenso wie im Fall 1 Ob 11/65 - über die widmungsgemäße Nutzung hinaus und kann schon deshalb nicht als vorteilhaftere Benützung iSd § 473 ABGB angesehen werden. Auf eine vorteilhaftere Nutzung des Wohnbereichs der Hofliegenschaft, der sich in erheblicher Entfernung vom See befindet und durch mehrere landwirtschaftlich genutzte Grundstücke von diesem getrennt ist, beruft sich der Revisionsgegner nicht.
Damit erweist sich die Auffassung der Klägerin, eine Dienstbarkeit des Baderechts zugunsten der Liegenschaft des Beklagten sei nicht ersessen worden, als zutreffend. Dass es der Beklagte auch Dritten ermöglicht hat, von seinen Grundstücken aus im See zu baden, ergibt sich bereits aus seinem eigenen Prozessvorbringen (und im Übrigen auch aus seiner Aussage als Partei). Damit ist das Unterlassungsbegehren auch insoweit berechtigt, als dem Beklagten nicht nur selbst das Baden zu verbieten ist, sondern auch, es zu unterlassen, Dritten das Baden von seinen Grundstücken aus zu ermöglichen.
Soweit die Klägerin darüber hinaus auch die Feststellung begehrt, dass dem Beklagten ein „sonstiges über den Gemeingebrauch nach § 8 Abs 2 WRG hinausgehendes Recht“ am See nicht zukommt, und fordert, der Beklagte habe die Ausübung solcher weiterer Rechte zu unterlassen, mangelt es am Feststellungsinteresse iSd § 228 ABGB bzw an einer - zumindest konkret drohenden - Störungshandlung iSd § 523 ABGB. Der Beklagte hat lediglich das Bestehen eines Baderechts zugunsten seiner Liegenschaft behauptet und - in der Annahme, dazu berechtigt zu sein - im See gebadet und seinen Familienangehörigen sowie weiteren Personen das Betreten des Sees von seinen Grundstücken aus zu Badezwecken ermöglicht. Er hat sich weder darüber hinausgehender Rechte am See berühmt noch derartige - über den Gemeingebrauch nach § 8 Abs 2 WRG hinausgehende - Nutzungshandlungen vorgenommen.
Die Abweisung des Zahlungsbegehrens bekämpft die Klägerin einerseits mit dem Argument, sie habe (nicht näher dargelegte) Kosten für Erhaltungsarbeiten und der Beklagte sei gem § 481 ABGB „selbst bei Vorliegen einer unentgeltlichen Dienstbarkeit“ zur anteiligen Tragung des Aufwands verpflichtet. Abgesehen davon, dass vom Vorliegen einer Dienstbarkeit gerade nicht auszugehen ist, handelt es sich iZm den behaupteten Kosten für Erhaltungsarbeiten um eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung.
Ähnliches gilt für die Behauptung, der Beklagte sei durch die (unzulässige) Ausweitung der Dienstbarkeit bereichert, weil diese zu einer „Aufwertung seiner Liegenschaft“ geführt habe. Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang meint, ein Zahlungsanspruch ergebe sich schon aus verfassungsrechtlichen Überlegungen, bleibt damit ganz unklar, aus welchen privatrechtlichen Normen der erhobene Geldanspruch abgeleitet werden soll. Auf einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB beruft sie sich nicht.