OGH: Zur neueren Lehrmeinung von Vonkilch, der argumentiert, dass eine Änderung ex-lege zulässig sei, soweit die von § 16 Abs 2 WEG 2002 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien
Der Umstand, dass die stRsp des OGH von einer Lehrmeinung, der das Berufungsgericht ohnedies nicht folgt, abgelehnt wird, bildet für sich allein keinen Grund für die Zulässigkeit einer Revision; das gilt hier umso mehr, als sich die wesentliche Begründung für die zur Rsp des OGH gegenteilige Ansicht - abgesehen von rechtspolitischen Überlegungen zu den angeblich unbilligen Konsequenzen der Annahme unerlaubter Eigenmacht - in der Berufung auf den auslegungsbedürftigen Wortlaut des § 16 Abs 2 Satz 1 WEG 2002 erschöpft und eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung, der sich daraus ergebenden rechtsgestaltenden Natur des iZm § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 als Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung konstruierten Duldungsanspruchs und dem gesetzgeberischen Willen vermissen lässt
§ 16 WEG 2002, § 52 WEG 2002, § 523 ABGB
GZ 5 Ob 38/15x, 19.05.2015
OGH: Nach stRsp verpflichtet schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden.
In diesem streitigen Verfahren über die Klage eines Mit- und Wohnungseigentümers auf Unterlassung oder Beseitigung rechtswidriger Änderungen durch andere Mit- und Wohnungseigentümer ist nach stRsp ausschließlich die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung zu prüfen. Über die Genehmigungsfähigkeit infolge Vorliegens der Voraussetzungen nach § 16 Abs 2 WEG und damit über die Verpflichtung zur Duldung einer Änderung hat im Konfliktfall ausschließlich der Außerstreitrichter zu entscheiden. Diese Entscheidung des Außerstreitrichters wirkt rechtsgestaltend und kann daher vom Streitrichter auch nicht im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung vorweggenommen werden.
Diese vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte ganz einheitliche Rsp des OGH entspricht auch der bislang einhelligen Auffassung im Schrifttum.
Der Revisionswerber hält diese Rechtsauffassung für unzutreffend und beruft sich dabei auf Vonkilch, der - offenbar in Abkehr von seiner bisherigen Ansicht - der stRsp und hL ausdrücklich widerspricht. Seien die von § 16 Abs 2 WEG geforderten Voraussetzungen erfüllt, habe ein Wohnungseigentümer schon ex lege das Recht, die von ihm gewünschte Änderung an seinem Wohnungseigentumsobjekt vorzunehmen; und nicht etwa bloß das Recht, eine rechtsgestaltende richterliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit seines Änderungswunsches - mit Wirkung pro futuro - herbeizuführen. Werde ein Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer auf die Beseitigung einer von ihm bereits vorgenommenen Änderung in Anspruch genommen, so sei es ihm in diesem (streitigen) Verfahren selbstverständlich möglich, einzuwenden, dass dieser Beseitigungsanspruch deswegen nicht bestehe, weil die Änderung sämtlichen Anforderungen, die § 16 Abs 2 WEG an deren Rechtmäßigkeit stellt, entspreche und ergo von den übrigen Wohnungseigentümern zu dulden sei.
Der Umstand, dass die stRsp des OGH von einer Lehrmeinung, der das Berufungsgericht ohnedies nicht folgt, abgelehnt wird, bildet für sich allein aber keinen Grund für die Zulässigkeit einer Revision. Das gilt hier umso mehr, als sich die wesentliche Begründung für die zur Rsp des OGH gegenteilige Ansicht - abgesehen von rechtspolitischen Überlegungen zu den angeblich unbilligen Konsequenzen der Annahme unerlaubter Eigenmacht - in der Berufung auf den auslegungsbedürftigen Wortlaut des § 16 Abs 2 Satz 1 WEG erschöpft und eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung, der sich daraus ergebenden rechtsgestaltenden Natur des iZm § 52 Abs 1 Z 2 WEG als Anspruch auf Ersetzung der Zustimmung konstruierten Duldungsanspruchs und dem gesetzgeberischen Willen vermissen lässt.
Der Revisionswerber vermag auch in anderer Hinsicht keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen; insbesondere ist dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der sonstigen Voraussetzungen einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB keine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen. Der erforderliche unberechtigte Eingriff in das Eigentumsrecht liegt in der in unerlaubter Eigenmacht vorgenommenen Änderung. Eigenmacht ist nach der bereits dargestellten Rsp - je nach Sichtweise schon oder nur - dann zu bejahen, wenn zumindest die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer und damit eine Genehmigungspflicht iSd § 16 Abs 2 WEG besteht, die Änderung also zumindest das vom Revisionswerber geforderte „Störungspotenzial“ aufweist.
Nach der Rsp besteht nur bei bloß bagatellhaften Umgestaltungen keine Genehmigungspflicht. Ob eine Maßnahme über eine bloß bagatellhafte Veränderung hinausgeht, ist eine typische Einzelfallbeurteilung. Wenn das Berufungsgericht hier den Einbau des Garagentors schon aufgrund der erheblichen Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses und der - im Ergebnis einer Umwandlung der Abstellplätze in eine Garage gleichkommenden - „Abtrennung“ vom Zugangsbereich nicht mehr nur als eine bloß bagatellhafte Änderung qualifiziert, ist dies nicht zu beanstanden (vgl 5 Ob 73/14t [Austausch einer zweiflügeligen Holzwohnungseingangstür durch eine moderne einflügelige Sicherheitstür]; 5 Ob 258/06m [Vorverlegung der Außenwand des Hauses bis an den vorderen Rand einer Loggia]).
Mit seinen Ausführungen zur fehlenden Beeinträchtigung der Interessen des Kläger und der übrigen Mit- und Wohnungseigentümern spricht der Revisionswerber daher Fragen der Interessensabwägung an, für die im streitigen Verfahren kein Raum bleibt. Dass schutzwürdige Interessen tatsächlich beeinträchtigt werden, ist nicht erforderlich, um Eigenmacht des Ändernden als Voraussetzung für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch zu bewirken. In der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs eines Mit- und Wohnungseigentümers durch einen anderen Mit- und Wohnungseigentümer liegt keine Schikane; diesem ist vielmehr stets ein Interesse an der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs in das Miteigentum zuzubilligen.