OGH: Zur Abwendungs- und Minderungspflicht nach § 62 VersVG
Unter die Rettungspflicht und demnach auch unter den Begriff Rettungskosten fallen nur Kosten, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte; von vornherein nicht unter den Begriff der Rettungskosten fallen all jene Ausgaben, die „sowieso“, dh ohne Rücksicht auf die Rettungsmaßnahme, erwachsen wären
§ 62 VersVG
GZ 7 Ob 196/14w, 09.04.2015
OGH: Nach § 62 VersVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalls, den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Er hat unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Rettungsaufwands durch den Versicherer. Mit dem Beginn eines Ereignisses, das in seiner Folge wahrscheinlich den Schaden herbeiführen wird, beginnt die Abwendungs- und Minderungspflicht. Die Rettungskosten müssen grundsätzlich objektiv dem Zweck dienen, den versicherten Schaden abzuwenden oder zu vermeiden. Ein „Rettungswille“ iSd Absicht, die Rettungspflicht zu erfüllen, wird nicht verlangt. Unter die Rettungspflicht und demnach auch unter den Begriff Rettungskosten fallen daher nur Kosten, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte. Von vornherein nicht unter den Begriff der Rettungskosten fallen all jene Ausgaben, die „sowieso“, dh ohne Rücksicht auf die Rettungsmaßnahme, erwachsen wären.
Bei den von der Klägerin geltend gemachten Kosten handelt es sich bereits nach ihren Behauptungen um einen bei Vertragsabschluss unvorhergesehenen Mehraufwand, der im Zuge der Arbeiten als zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs erforderlich wurde. Sofern der Werkunternehmer keinen Pauschalpreis vereinbart und dem Vertrag keinen Kostenvoranschlag ohne Gewähr zugrunde legt, wobei eine derartige Vertragsgestaltung in sein unternehmerisches Risiko fiele, das ihm nicht von der Bauleistungsversicherung abgenommen würde, kann er sich einen Anspruch auf höheres Entgelt dadurch sichern, dass er den Besteller auf den unvermeidlichen „Mehraufwand“ hinweist und diesem die Möglichkeit dazu gibt, die Fortführung der Tätigkeiten - gegen zusätzliches Entgelt - anzuordnen oder unter angemessener Vergütung der bereits geleisteten Arbeiten vom Vertrag zurückzutreten (§ 1170a ABGB). In beiden Fällen hätte die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung für die bereits erfolgte (bis lfm 800) Herstellung der Rohrleitungen nicht verloren. Der von ihr eingesetzte Mehraufwand an Material und Personal zur Durchführung der geschuldeten Rohrleitungen im Umfang von weiteren 32,5 m diente demnach nicht der Abwehr von Schäden, die der Bauleistungsversicherer zu decken gehabt hätte, sondern allein der nicht gedeckten Bergung ihrer Vortriebsmaschine.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der von der Klägerin hier beanspruchte Mehraufwand stelle keinen Rettungsaufwand dar, weil er dazu diente, die von der Klägerin ohnedies („sowieso“) herzustellende Rohrverlegung voranzutreiben, ist nicht korrekturbedürftig.