14.07.2015 Fremdenrecht

VwGH: § 21 BFA-VG – Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

War "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gem § 68 Abs 1 AVG zu Recht erfolgte, hatte das BVwG dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahrens keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist


Schlagworte: Anträge auf internationalen Schutz, Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Zurückweisung, Sache des Beschwerdeverfahrens
Gesetze:

 

§ 21 BFA-VG, § 75 AsylG 2005, § 68 AVG

 

GZ Ra 2014/18/0025, 13.11.2014

 

VwGH: Nach § 21 Abs 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen eine Entscheidung im Zulassungsverfahren - wozu auch die vorliegende Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 68 AVG gehört - vom BVwG stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Ausgehend davon hatte das BVwG auch im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft war, dass ohne Durchführung einer Verhandlung die "Sache" des Beschwerdeverfahrens nicht abschließend erledigt werden konnte. Sofern es diese Frage zu bejahen hatte, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene erstinstanzliche Bescheid zu beheben, wodurch das Asylverfahren zugelassen ist. Diese Zulassung steht allerdings gem § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.

 

"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war in Bezug auf Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die erstinstanzliche Behörde gem § 68 Abs 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahrens keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Dabei entspricht es im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen hg Rsp, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen hat, dem Asylrelevanz zukommt. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich. Abhängig vom Ausgang dieser Prüfung war "Sache" des Beschwerdeverfahrens überdies die Überprüfung der mit Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommenen Ausweisung (vgl § 75 Abs 20 AsylG 2005).

 

In Bezug auf die Zurückweisung des Folgeantrags nach § 68 Abs 1 AVG hat sich das BFA in seiner Entscheidung fallbezogen darauf gestützt, dass der Revisionswerber keinen "entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt" vorgebracht habe, der nach Abschluss des Erstverfahrens entstanden sei. Zur Begründung dieser Einschätzung hat es sich ausschließlich darauf berufen, dass die neu behaupteten Verfolgungshandlungen "in einem untrennbaren Zusammenhang" mit jenem Vorbringen stehe, das bereits "anlässlich des Erstverfahrens als völlig unglaubwürdig" befunden worden sei. Daraus folge "notwendigerweise", dass für ihn auch mit "Folgebehauptungen", die auf die als nicht glaubhaft erachteten Fluchtgründe aufbauen, nichts zu gewinnen sei.

 

Mit dieser Begründung hat das BFA verkannt, dass die vom Revisionsweber behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, iSd stRsp des VwGH daraufhin zu überprüfen gewesen wären, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufwiesen oder nicht.

 

Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25. Februar 2013 zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit.

 

Das BFA hat die somit erforderliche Prüfung nicht vorgenommen. Dieser mangelhafte Sachverhalt konnte vom BVwG nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" absprach. Vielmehr wäre der Beschwerde iSd § 21 Abs 3 BFA-VG stattzugeben gewesen.

 

Dieser Umstand schlägt auch auf die - auf die Zurückweisung des Folgeantrags nach § 68 Abs 1 AVG aufbauende - Behebung der Ausweisung nach § 75 Abs 20 AsylG 2005 durch.