OGH: Zur Frage, ob die Einklagung der Kosten für eine erst durchzuführende Operation gegenüber dem Begehren auf bloße Vorschussleistung ein Aliud oder ein Minus darstellt
Zukünftige Heilungskosten als Vorschuss gegen Verrechnung sind gegenüber dem Begehren auf Zuspruch des Betrags ohne diese Einschränkung ein Minus und kein Aliud
§ 226 ZPO, § 405 ZPO, §§ 1295 ff ABGB
GZ 2 Ob 173/14a, 09.04.2015
OGH: Voranzustellen ist, dass die Klägerin ihr Begehren in erster Instanz nicht - wie im Rechtsmittel behauptet - „später ausschließlich“, sondern vielmehr „auch“ auf Schadenersatz gestützt hat.
Gem § 405 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Ob ein solches Aliud vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem Urteilsspruch unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen. Ein Aliud liegt dann vor, wenn die zugesprochene Rechtsfolge eine andere ist als die begehrte, dabei sind auch die zur Begründung der Rechtsfolge vorgetragenen und zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen miteinander zu vergleichen. Für die Beantwortung der Frage, ob das Gericht in seinem Urteilsspruch über die in § 405 ZPO gezogenen Schranken hinausgegangen ist, ist nicht allein das Klagebegehren, sondern auch der übrige Inhalt der Klage maßgebend.
Ein Aliud liegt auch dann vor, wenn der verlangte und jener Leistungsgegenstand, der gegebenenfalls zugesprochen werden könnte, zwar gleichartig sind, aber aus verschiedenen Sachverhalten abgeleitet werden. Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind daher der vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation des Klagegrundes durch den Kläger gereicht ihm dann nicht zum Nachteil, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat.
In diesem Sinne wurde bereits ausgesprochen, dass die Verurteilung zum Erlag statt zur Zahlung ebenso ein zulässiges Minus ist wie die Verurteilung zu Ratenzahlungen statt zur sofortigen Zahlung des gesamten Betrags.
Ebenso wurde im exekutionsrechtlichen Kontext ausgesprochen, dass das Begehren (nach § 224 Abs 1 EO) auf Berichtigung durch sofortige Barzahlung gegenüber jenem auf Zuweisung eines entsprechenden Barbetrags, welcher gem § 224 Abs 2 EO (als Deckungskapital) gerichtlich zu erlegen ist, nicht ein Aliud iSd § 405 ZPO, sondern ein Mehrbegehren darstellt.
Auch die Verurteilung Zug um Zug ist nach stRsp kein Aliud, sondern ein Minus.
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die Leistung eines bestimmten Betrags zur Abdeckung von - erst (ohne dies freilich bisher im erstinstanzlichen Verfahren explizit behauptet zu haben) zukünftig fällig werdenden - Heilbehandlungskosten. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 2 Ob 82/97s judiziert der OGH hiezu, dass die Kosten einer künftigen Heilbehandlung vom Geschädigten, der die Heilbehandlung ernstlich beabsichtigt, nur vorschussweise begehrt werden können. Dieser Grundsatz gilt auch im Gewährleistungsrecht bei Anwendung des § 933a ABGB. Der begehrte Betrag ist auch nicht einem Feststellungsbegehren für künftige Ansprüche zuzuordnen, sondern dem Geschädigten, der nicht verpflichtet ist eigenes Kapital einzusetzen, als Vorschuss zuzusprechen und muss dem Geschädigten angemessene Zeit vor dessen Einsatz zur Verfügung stehen.
Entgegen dem Rekursvorbringen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Betrag noch gar nicht fällig wäre.
Zukünftige Heilungskosten als Vorschuss gegen Verrechnung sind daher gegenüber dem Begehren auf Zuspruch des Betrags ohne diese Einschränkung ein Minus und kein Aliud.