13.07.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob die Voraussetzung der Einzahlung eines Kostenvorschusses für die Anrufung des Schiedsgerichts in einer Höhe, welche der Hälfte bzw einem Viertel des Vereinsvermögens einer der anrufenden Parteien entspricht, einen eklatanten Verstoß gegen die Grundsätze des fair trail des Art 6 EMRK darstellt

Aufgrund der - bereits wegen der „Kostenhürde“ gegebenen - Unzumutbarkeit der Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung ist die sofortige Beschreitung des Rechtswegs zulässig


Schlagworte: Vereinsrecht, Streitschlichtung, Schiedsgericht, Kostenvorschuss, Zulässigkeit des Rechtswegs
Gesetze:

 

§ 8 VerG, § 7 VerG, §§ 577 ff ZPO, Art 6 EMRK

 

GZ 2 Ob 226/14w, 13.05.2015

 

OGH: Gem § 7 VerG sind „Beschlüsse von Vereinsorganen nichtig, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten. Andere gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse bleiben gültig, sofern sie nicht binnen eines Jahres ab Beschlussfassung gerichtlich angefochten werden. Jedes von einem Vereinsbeschluss betroffene Vereinsmitglied ist zur Anfechtung berechtigt.“

 

Gem § 8 Abs 1 VerG haben die Statuten „vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Die Anrufung des ordentlichen Gerichts kann nur insofern ausgeschlossen werden, als ein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO eingerichtet wird.“ Nach § 8 Abs 2 VerG haben die Statuten „die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln. Den Streitparteien ist beiderseitiges Gehör zu gewähren.“

 

Einer Klage steht das gem § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen, wenn sie in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG vor dem Verstreichen von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht worden ist, außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung.

 

Von der temporären Unzulässigkeit des Rechtswegs wird nach der Rsp lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle für die betroffene Partei nicht zumutbar ist. Eine solche Unzumutbarkeit wird insbesondere bei einem eklatanten Verstoß gegen die in § 8 Abs 2 VerG angesprochenen Grundsätze des fair trial nach Art 6 EMRK gesehen. Ein weiterer Fall der Unzumutbarkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle wurde auch angenommen, wenn ein Beschluss im Anfechtungszeitpunkt unrevidierbar wäre, und die Anrufung der Schlichtungsstelle daher ein bloßer Formalakt ohne jede Möglichkeit einer Streitschlichtung bleiben müsste.

 

Die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass die Kläger in den klagsgegenständlichen Angelegenheiten - entgegen ihrer Behauptung - vor Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht das vereinsinterne Schiedsgericht angerufen haben. Es ist daher zu prüfen, ob im konkreten Fall die Anrufung des Schiedsgerichts unzumutbar gewesen wäre, insbesondere, ob das von den Schiedsrichtern aufgestellte Erfordernis des Kostenvorschusses (von 1.000 EUR) eine unzumutbare Hürde für seine Anrufung darstellt.

 

Zu diesem Zweck ist zunächst zu klären, welche Art von „Schiedsgericht“ mit der (zitierten) Satzungsbestimmung eingerichtet wurde.

 

Vereinsschiedsgerichte“ sind trotz ihrer Bezeichnung per se keine „echten“ Schiedsgerichte iSd §§ 577 ff ZPO, sondern Einrichtungen nach dem VerG zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis iSd § 577 Abs 4 ZPO, auf welche die Bestimmungen der §§ 577 ff ZPO über das „Schiedsrichterliche Verfahren“ ausdrücklich nicht Anwendung finden. Durch das VerG wird kein die ordentliche Gerichtsbarkeit ausschließendes, Schiedsgericht im engeren Sinn, sondern eine bloße Schlichtungsinstanz eingesetzt. Eine solche Schlichtungseinrichtung hat den Zweck, Vorklärungen zu ermöglichen und die Gerichte von (praktisch häufigen) Vereinsstreitigkeiten möglichst zu entlasten. Ihr kommt keine endgültige Entscheidungskompetenz zu. Die „Entscheidung“ eines Vereins“schiedsgerichts“ ist letztlich nur ein Schlichtungsvorschlag, dem, wird er akzeptiert, streitbeendende Wirkung zukommt; geht ein Streitteil weiter zu den staatlichen Gerichten, so wurde der Vorschlag eben nicht akzeptiert. Auch die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass mit der Satzung des beklagten Vereins - worin ausdrücklich auf § 8 Abs 1 und 2 VerG samt „Erläut RV“ Bezug genommen wird - kein Schiedsgericht nach §§ 577 ff ZPO eingerichtet wurde.

 

Der Beklagte führt in seiner Revisionsrekursbeantwortung aus, dass Kostenvorschüsse, aber auch Kostenbeiträge, für die Anrufung eines Schiedsgerichts üblich seien und für ein vereinsinternes Schiedsgericht nichts anderes gelten könne. Letzteres ist unzutreffend:

 

Bei (echten) Schiedsrichtern iSv § 587 ZPO ergibt sich die Entgeltlichkeit ihrer Tätigkeit aus den werkvertraglichen Bestimmungen der § 1151 Abs 1 und § 1152 ABGB. Die Höhe des Honorars bestimmt sich primär nach dem Schiedsrichtervertrag, in Ermangelung dessen nach den bisher bei gleichartigen Schiedsgerichten herrschenden Honorarrichtlinien und Vergütungssätzen und hilfsweise nach der Angemessenheit nach § 1152 ABGB. Es entspricht der schiedsgerichtlichen Praxis, von den Parteien bei Einleitung des Verfahrens Vorschüsse zu verlangen, um die Honorar- und Barauslagenersatzansprüche der Schiedsrichter abzusichern.

 

Bei der hier vorliegenden vereinsinternen Schlichtungseinrichtung gründet die Tätigkeit der „Schiedsrichter“ auf ihrer Mitgliedschaft im Verein und der Wahl für das Schiedsrichteramt in der Generalversammlung. Es mangelt an jeglichem Schiedsrichter- bzw Werkvertrag. Somit fehlt eine Rechtsgrundlage für ein Honorar.

 

Für die Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens nach § 8 VerG gilt die privatautonome Gestaltungsfreiheit der satzungsgebenden Organe. Die von der Generalversammlung gewählten Schiedsrichter haben den allgemeinen Beschluss, wonach das Schiedsgericht nur dann tätig werde, wenn der Antragsteller einen Kostenvorschuss von 1.000 EUR leistet, außerhalb jeglicher Regelung in den Statuten des beklagten Vereins gefasst. Somit fehlt es auch an einer satzungsmäßigen (und damit auch die Vereinsmitglieder bindenden) Grundlage für die von den Schiedsrichtern selbst aufgestellte „Kostenhürde“ für die Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung.

 

Der begehrte Kostenvorschuss widerspricht den in LuRsp für die grundsätzliche Priorität der vereinsinternen Streitschlichtung ua genannten Gründen einer möglichst schnellen und kostengünstigen, unbürokratischen Bereinigung des Rechtsstreits. Die Leistung eines weder gesetzlich noch satzungsmäßig gedeckten Pauschalhonorars für die Schiedsrichter oder eines Kostenbeitrags für weder offengelegte noch näher konkretisierte sonstige Kosten war den Klägern im konkreten Fall daher nicht zumutbar. Die Schiedsrichter hätten vielmehr - in Ausübung des ihnen von der Generalversammlung übertragenen Amts im Interesse des beklagten Vereins - unentgeltlich tätig werden müssen.