OGH: § 18 BStG – Enteignungsentschädigung
Bei der Ermittlung des Entschädigungsbetrags ist nicht (nur) auf die tatsächliche Verwendung der Liegenschaft, sondern auch auf die im Zeitpunkt der Enteignung konkrete wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit nach der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage abzustellen; Verwendungsmöglichkeiten, die in einer unbestimmten Zukunft liegen, sowie die bloße Absicht des Grundeigentümers, seine Liegenschaft nutzbringender als bisher zu verwenden, haben jedoch außer Betracht zu bleiben
§ 18 BStG, § 4 EisbEG
GZ 3 Ob 219/14y, 21.04.2015
OGH: Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Enteignungsentschädigung gehört dem Tatsachenbereich an, sofern sie nicht auf mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbaren - zB rechnerisch unrichtigen - Schlussfolgerungen beruht.
Der im Revisionsrekurs zitierten Passage des Gutachtens, wonach der Sachverständige den Wert der enteigneten (Betriebs-)Liegenschaften - mangels auffindbarer Vergleichswerte für Betriebsbauland - ausgehend vom Preis für Wohnbaugrundstücke ermittelt hat, ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass er dabei die Lage und die äußeren Umstände (insbesondere die Lage in einem engen Tal und in der gelben Zone gemäß Gefahrenzonenplan; sowie mit 13 km Entfernung vom nächsten Autobahnanschluss) berücksichtigte; nicht hingegen, dass - wie die Antragsteller meinen - ausgehend von nach Lage und äußeren Umständen bereits vergleichbaren Wohnbaugrundstücken diese Faktoren nochmals wertmindernd berücksichtigt worden wären.
Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Annahme des Sachverständigen, Betriebsbauland werde idR zu einem niedrigeren Preis gehandelt als Wohnbauland, deshalb denkgesetzwidrig wäre, weil es in unmittelbarer Umgebung der enteigneten Grundstücke keine anderen verfügbaren Betriebsbauliegenschaften gibt. Dass eine das Angebot (deutlich) übersteigende Nachfrage tendenziell die Preise erhöht, lässt nicht den Schluss zu, dass der Wert der enteigneten Flächen jenem von Bauland entspricht.
Nach den Feststellungen liegen beinahe alle enteigneten Flächen im Bereich des hundertjährigen Hochwasserabflusses der A***** und Teile davon überdies im Bereich des dreißigjährigen Hochwasserabflusses. Aus der weiteren Feststellung, wonach der Keller der Sägehalle bei hundertjährigen Hochwassern nicht hochwassersicher ist, lässt sich deshalb entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht ableiten, dass die über der Erdoberfläche befindlichen Gebäudeteile (bzw die unbebauten Liegenschaftsteile) hochwassersicher wären und daher der vom Sachverständigen vorgenommene Abschlag für die Hochwassergefahrenlage nicht zulässig wäre.
Richtig ist, dass bei der Ermittlung des Entschädigungsbetrags nicht (nur) auf die tatsächliche Verwendung der Liegenschaft, sondern auch auf die im Zeitpunkt der Enteignung konkrete wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit nach der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage abzustellen ist. Verwendungsmöglichkeiten, die in einer unbestimmten Zukunft liegen, sowie die bloße Absicht des Grundeigentümers, seine Liegenschaft nutzbringender als bisher zu verwenden, haben jedoch außer Betracht zu bleiben. Von dieser Rsp ist das Rekursgericht nicht abgewichen, indem es auf Basis der Feststellungen, wonach der Sägewerksbetrieb bereits ab 1984 aus wirtschaftlichen Gründen, unabhängig vom Straßenbauprojekt, stillgelegt war, die Sägehalle zum Zeitpunkt der Enteignung nicht ausreichend modern und konkurrenzfähig war und die Antragsteller nicht durch die mit dem Straßenbauprojekt bzw dem Enteignungsverfahren verbundene Ungewissheit an der Planung und Umsetzung von Modernisierungsmaßnahmen gehindert wurden, das Bestehen einer mit der Enteignungsentschädigung auch abzugeltenden Betriebserschwernis verneint hat. Auf die vom Rekursgericht ohnehin nicht übernommenen Argumente des Erstgerichts, der Betrieb sei aus rechtlichen Gründen schon deshalb nicht lebensfähig gewesen, weil er seit Inkrafttreten der GewO 1973 über keinen genehmigten Lagerplatz verfügt habe und außerdem die formelle gewerberechtliche Bewilligung gefehlt habe, kommt es deshalb gar nicht an.
Die Höhe der Enteignungsentschädigung ist entsprechend dem Wert der betroffenen Grundstücke zum Stichtag der Enteignung festzusetzen. Hiefür ist der Zeitpunkt der Aufhebung des Rechts maßgebend, also - nach jüngerer Rsp - die Rechtskraft des Enteignungsbescheids. Es ist daher auf das Datum der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheids abzustellen. Das ergibt sich auch aus der E 1 Ob 138/13w, die festhält, dass die ältere, auf den Enteignungsbescheid erster Instanz abstellende Rsp überholt ist. Die Erhebung einer Bescheidbeschwerde an den VfGH - oder wie hier an den VwGH - hindert die Rechtskraft des Enteignungsbescheids nicht. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragsteller wurde der dem Antrag zugrunde liegende Enteignungsbescheid vom 23. 4. 2004 ihrem Vertreter am 28. 4. 2004 zugestellt; mit dieser Zustellung erlangte er Rechtskraft, weil er, als im Rahmen der Landesverwaltung von der obersten Landesbehörde (der Landesregierung) erlassen, keinem weiteren Rechtszug im ordentlichen Instanzenzug unterliegt (§ 3 Abs 1 Z 2 oö StraßenG).
Entgegen der Ansicht der Antragsteller kommt es nicht auf den „ersten“ Enteignungsbescheid vom 28. 5. 2001 an, weil dieser infolge ihrer Beschwerde kassiert wurde, also keine (endgültige, zu entschädigende) „Abnahme des Eigentums“ bewirkte, mag auch mit dem Straßenbau bereits im Jahr 2001 begonnen worden sein. Die ex-tunc-Wirkung des diesbezüglichen Erkenntnisses des VwGH hat nämlich zur Folge, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheids und seiner Aufhebung durch den VwGH im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der angefochtene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Das Rekursgericht hat deshalb zu Recht das Hofkanzlei-Dekret vom 4. 4. 1837 (JGS 188/1837), das mit BGBl I 118/2002, (ZinsRÄG), also vor Erlassung des (allein relevanten) Enteignungsbescheids vom 23. 4. 2004, aufgehoben wurde, nicht angewendet.