13.07.2015 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die Abmahnung iSd § 81 Abs 1a UrhG notwendige Voraussetzung für die Unterlassungsklage ist und welche Kriterien sie konkret zu erfüllen hat

Für Access- und Host-Provider gilt, dass sie (anders als Content-Provider) an der „Schöpfung“ des urheberrechtswidrigen Inhalts der Webseiten nicht beteiligt sind und dass sie die Inhalte der ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen grundsätzlich nicht überwachen müssen; beide werden somit idR keine Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten haben, weswegen der Unterlassungsanspruch erst mit einer Abmahnung entsteht; allerdings kann schon das Bestreiten einer von der Gegenseite im Verfahren behaupteten Unterlassungspflicht die Erstbegehungsgefahr und damit den Unterlassungsanspruch begründen


Schlagworte: Urheberrecht, Mitwirkung an Urheberrechtsverletzungen,Unterlassungsanspruch, Abmahnung, Access-Provider, Host-Provider, Vermitttler, Sperrmaßnahmen, Kosten
Gesetze:

 

§ 81 UrhG, §§ 13 ff ECG

 

GZ 4 Ob 22/15m, 19.05.2015

 

OGH: In der Entscheidung 4 Ob 140/14p hat der Senat jüngst ausgesprochen, dass § 81 Abs 1a UrhG zwar vom Regelfall ausgeht, dass die Abmahnung vor der Klage erfolgt. Dem ist es jedoch gleichzuhalten, wenn der Provider im Zuge des Verfahrens Klarheit über die Rechtsverletzung erhält und dennoch darauf beharrt, nicht zu einem Einschreiten verpflichtet zu sein: Denn in diesem Fall besteht Erstbegehungsgefahr, die nach stRsp ebenfalls einen Unterlassungsanspruch begründet.

 

Die Revisionsrekurswerberinnen (in der Folge „die Beklagten“) führen aus, dass die Rsp zu 4 Ob 140/14p nur auf Host-Provider (iSd § 16 ECG) anzuwenden sei. Access-Provider hätten nämlich weder Kenntnis noch Zugriffsmöglichkeiten auf die von ihnen vermittelten Webseiten. Die Verlagerung der Abmahnung in den Prozess sei daher bei Access-Providern untunlich. Es fehle wegen der unzureichenden Abmahnungen an einer materiellen Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs.

 

Eine Verschiedenbehandlung von Access- und Host-Providern widerspricht der klaren Formulierung in § 81 Abs 1a Satz 2 UrhG, der auf die Bestimmungen der §§ 13 bis 17 ECG verweist. Dieser Verweis umfasst somit sowohl Access-Provider (§ 13 ECG) als auch Host-Provider (§ 16 ECG), die bezüglich der erforderlichen Abmahnung gleichgestellt werden. § 81 Abs 1a UrhG wurde in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben (Art 8 Abs 3 RL 2001/29/EG [Info-RL]) erlassen. Neben der Info-RL ist hier die RL 2000/31/EG [E-Commerce-RL] von Relevanz. Diese normiert im Abschnitt 4 (Verantwortlichkeit der Vermittler) die Verantwortlichkeit von Access- und Host-Providern sowie für Caching. Wenn die Info-RL in der Folge von „Vermittlern“ spricht (insbesondere in Art 8 Abs 3), so werden darunter sowohl Access- als auch Host-Provider verstanden. Für beide gilt, dass sie (anders als Content-Provider) an der „Schöpfung“ des urheberrechtswidrigen Inhalts der Webseiten nicht beteiligt sind und dass sie die Inhalte der ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen grundsätzlich nicht überwachen müssen (Art 15 RL 2000/31/EG). Beide werden somit idR keine Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten haben, weswegen der Unterlassungsanspruch erst mit einer Abmahnung entsteht. Allerdings kann, wie in 4 Ob 140/14p, schon das Bestreiten einer von der Gegenseite im Verfahren behaupteten Unterlassungspflicht die Erstbegehungsgefahr und damit den Unterlassungsanspruch begründen. Das traf hier zu, weil die Beklagten - die nach einer Fristerstreckung ausreichend Zeit zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage hatten - in ihrer Äußerung darauf beharrten, nicht zu einer Sperre verpflichtet zu sein, wobei sie dies nicht nur mit der angeblich mangelhaften Abmahnung, sondern auch mit anderen Argumenten begründeten.

 

Soweit sich die Beklagten gegen die gesamte Sperre der klagsgegenständlichen Webseiten und nicht bloß eines konkreten Inhalts wenden, ist ihnen mit dem Rekursgericht entgegen zu halten, dass sie iZm diesen Webseiten nicht konkret dargetan haben, dass die Sperre auch (relevante) Auswirkungen auf legale Inhalte haben kann.

 

Die Frage, ob über die Zumutbarkeit von aufgetragenen Sperrmaßnahmen erst in einem allfälligen Impugnationsverfahren abzusprechen ist, beantwortet die ausführlich begründete und auf der Entscheidung des EuGH vom 27. 3. 2014, Rs C-314/12, UPC Telekabel, beruhende Entscheidung 4 Ob 71/14s. Die Beklagten haben keine tragfähigen Gründe dargetan, die ein Abgehen von dieser Entscheidung nahe legen würden.

 

Der EuGH befasste sich in der genannten Entscheidung differenziert mit der Frage der Kostentragung durch den Access-Provider. Diese erfordert es, dass gerade keine konkreten Sperrmaßnahmen auferlegt werden. Der Ausspruch eines Erfolgsverbots ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben - insbesondere dem Grundrecht der unternehmerischen Freiheit nach Art 16 GRC - vereinbar (Rs C-314/12 Rz 48). Der Provider muss die Kosten allfälliger Sperrmaßnahmen in die geschäftliche Kalkulation einberechnen und ein Vermittler muss sowohl in finanzieller als auch technischer Hinsicht gerüstet sein, Zugangssperren durchzuführen. Gerade aufgrund der Kostentragung durch den Access-Provider ist die Unterlassungsanordnung auf ein Erfolgsverbot zu beschränken, sodass der jeweilige Access-Provider die kostengünstigste Möglichkeit einer Sperre wählen kann (Rs C-314/12).

 

Aufgrund dieser Erwägungen erübrigt sich die von den Beklagten angeregte Antragstellung an den VfGH zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit (auch zu Art 15 und Art 17 GRC und den entsprechenden Bestimmungen im StGG) der Regelung des § 81 Abs 1a UrhG oder die (neuerliche) Vorlage an den EuGH. Die Regelung des § 81 UrhG führt dazu, dass ein Provider die Kosten allfälliger Sperrmaßnahmen zu tragen hat. Dies ist sachgerecht angesichts des Umstands, dass ein Provider, der ja im eigenen wirtschaftlichen Interesse handelt, auch für die Folgen dieses Handelns einzustehen hat. Zu solchen Folgen zählt auch, dass er die Mitwirkung an einer Rechtsverletzung Dritter auf seine eigenen Kosten abstellen muss.