OGH: Mitverschulden des verunfallten Rennläufers bei Schirennen im freien Gelände?
Bei einem Schirennen im freien Gelände trifft den Rennläufer kein Mitverschulden, wenn er ohne entsprechende Warnung einer atypischen Gefahr nicht auf Sicht fährt
§ 1304 ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 7 Ob 68/15y, 20.05.2015
OGH: Ein Mitverschulden des Geschädigten iSd § 1304 ABGB setzt weder ein Verschulden im technischen Sinn noch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens voraus. Es genügt die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt.
Da der Streckenverlauf zwar unbekannt, aber durch Richtungstore vorgegeben war, war davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer nur auf die vor ihnen liegende markierte Rennstrecke selbst konzentrieren würden. Nur so konnte der der vorliegenden Veranstaltung zugrunde liegende Wettkampfgedanke, die Rennstrecke in kürzestmöglicher Zeit zu bewältigen, umgesetzt werden. Aus diesem Grund mussten die Beklagten davon ausgehen, dass die Teilnehmer den vorgegebenen Streckenverlauf im Renntempo abfahren würden. Sie konnten nicht erwarten, dass die Teilnehmer ohne entsprechender Warnung auf Sicht fahren würden, was einem Wettkampf bei einer vorgegebenen Strecke wesensfremd wäre, zumal gerade das eigene Können ausgelotet werden soll.
Die Kläger haben daher keine Verletzung das Gebots des Fahrens auf Sicht zu verantworten. Damit kann ihnen nur dann ein Mitverschulden angelastet werden, wenn ein sorgfältiger Mensch während des Rennens rechtzeitig die atypische Gefahr erkennen und darauf reagieren hätte können. Erkennbaren Gefahrenstellen muss grundsätzlich ausgewichen werden.
Zu prüfen ist daher, ob die Kläger auf den von ihnen in einer Entfernung von zumindest 30 m (Erstkläger) bzw 50 m (Zweitkläger) wahrgenommenen Geländewechsel, der ihnen trotz Konzentration auf das Gelände auffiel, durch eine vorsichtigere Fahrweise hätten reagieren müssen. Sie wurden darauf aufmerksam, dass die vor ihnen fahrenden Teilnehmer plötzlich „verschwanden“. Dies signalisierte jedoch bloß das Vorliegen eines Abhangs, nicht hingegen, dass dieser - auf Grund eines nicht einsehbaren Hindernisses - nicht mit Renntempo befahren werden könnte. Auch dass der Erstkläger sah, dass die vor ihm fahrenden Teilnehmer nach dem Verlust des Bodenkontakts „mit den Armen ruderten“, ist noch nichts Außergewöhnliches bei derartigen Rennen, sondern deutete bloß auf einen etwas größeren Sprung hin. Demnach mussten die Kläger aus dem Verhalten der vor ihnen fahrenden Teilnehmer nicht auf ein atypisches, nicht mit Renngeschwindigkeit zu bewältigendes Hindernis schließen. In der Beibehaltung ihrer Fahrgeschwindigkeit und -linie kann ihnen daher kein Vorwurf gemacht werden.