06.07.2015 Zivilrecht

OGH: Warnpflicht des Werkunternehmers nach § 1168a ABGB und Mitverschulden des Bestellers

Bei Verletzung der Warnpflicht durch den Werkunternehmer kann den Besteller ein Mitverschulden treffen; dies ua dann, wenn der Besteller bei genügender Sachkenntnis erkennen kann, dass die dem Unternehmer erteilte Anweisung oder die vereinbarte Arbeitsweise verfehlt ist; den Werkbesteller trifft jedoch regelmäßig kein Mitverschulden, wenn er keine einschlägigen Fachkenntnisse hat


Schlagworte: Werkvertrag, Warnpflicht, Schadenersatzrecht, Mitverschulden des Bestellers, Fachkenntnis
Gesetze:

 

§ 1168a ABGB, §§ 1165 ff ABGB, § 1304 ABGB

 

GZ 10 Ob 21/15h, 24.03.2015

 

OGH: Der Werkunternehmer ist regelmäßig als Sachverständiger anzusehen (§ 1299 ABGB), sodass er einem objektiven Sorgfaltsmaßstab unterliegt und die üblichen Branchenkenntnisse zu vertreten hat. Er hat den Besteller gem § 1168a ABGB zu warnen, wenn dieser offenbar unrichtige Anweisungen erteilt hat. „Offenbar“ iSd § 1168a ABGB ist alles, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss. Diese Warnpflicht des Unternehmers besteht auch gegenüber dem sachkundigen oder sachverständig beratenen Besteller. Der Unternehmer wird von der Warnpflicht nur dann entlastet, wenn er davon ausgehen kann, dass der Besteller über Mängel seiner Sphäre durchaus Bescheid weiß und das Risiko der Werkbestellung dennoch übernimmt.

 

Ist eine erforderliche Warnung ausgesprochen worden, muss sie jedenfalls erkennen lassen, dass das Werk allenfalls misslingen könnte. Es ist daher in jedem Fall zu prüfen, ob die Warnung als solche erkennbar und inhaltlich ausreichend war.

 

Bei Verletzung der Warnpflicht durch den Werkunternehmer kann den Besteller aber ein Mitverschulden treffen. Dies ua dann, wenn der Besteller bei genügender Sachkenntnis erkennen kann, dass die dem Unternehmer erteilte Anweisung oder die vereinbarte Arbeitsweise verfehlt ist.

 

Im vorliegenden Fall steht aber nicht fest, dass die Klägerin genügende Sachkenntnisse über die erforderliche Beschaffenheit und Eignung der Leime gehabt hätte. Während nämlich die Beklagte Leimbinder aller Art und Formate produziert, betreibt die Klägerin ein Säge- und Hobelwerk und stellt im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs Bauholz für verschiedene Verwendungsmöglichkeiten her. Die Klägerin ging daher mangels eigener Fachkenntnisse nach den Feststellungen davon aus, dass sowohl die Verleimung mit Leim der Güteklasse D4 als auch die Verleimung mit Melaminharz für die Verwendung im Außenbereich geeignet sei. Den Werkbesteller trifft jedoch regelmäßig kein Mitverschulden, wenn er keine einschlägigen Fachkenntnisse hat. Auch mit dem Revisionsvorbringen, es wäre der Klägerin ein Mitverschulden anzulasten, weil sie und die Beklagte „aus annähernd derselben Branche“ kämen, die Leimwahl vereinbart gewesen sei und die Klägerin trotz der im E-Mail vom 18. 4. 2011 enthaltenen Hinweise weitere Aufträge erteilt habe, werden keine Umstände aufgezeigt, die einen vom OGH aufzugreifenden Fehler in der Beurteilung des Berufungsgerichts, der nicht fachkundigen Klägerin könne kein Mitverschulden am Entstehen des Schadens angelastet werden, begründen könnten. Zudem hat die Klägerin ohnedies nur die Hälfte der ihr für Sanierungskosten entstandenen Aufwendungen eingeklagt.