15.06.2015 Zivilrecht

OGH: Unleidliches Verhalten – zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG

Verhaltensänderungen nach Zugang der Aufkündigung können nur ganz ausnahmsweise, und zwar dann, zu einer Aufhebung der berechtigterweise ausgesprochenen Kündigung führen, wenn eine Wiederholung des unleidlichen Verhaltens geradezu auszuschließen ist; im Allgemeinen ist die Frage, ob der Mieter nach der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten fortgesetzt hat, unwesentlich, da es genügt, dass im Zeitpunkt der Aufkündigung die Voraussetzungen für diese vorhanden waren


Schlagworte: Mietrecht, unleidliches Verhalten, Prognose
Gesetze:

 

§ 30 MRG

 

GZ 1 Ob 30/15s, 19.03.2015

 

OGH: Das Berufungsgericht hat angenommen, dass das Gesamtverhalten des Beklagten va deshalb den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG „gerade noch nicht“ erfülle, weil sein Verhalten nach Zustellung der Aufkündigung eine günstige Zukunftsprognose erlaube; erst bei einer Wiederaufnahme des Fehlverhaltens werde der Kündigungsgrund zu bejahen sein. Abgesehen davon, dass die Phase des „Wohlverhaltens“ zwischen Zustellung der Kündigung und Schluss der Verhandlung im Verfahren erster Instanz kaum mehr als ein halbes Jahr gedauert hat, können Verhaltensänderungen nach Zugang der Aufkündigung nur ganz ausnahmsweise, und zwar dann, zu einer Aufhebung der berechtigterweise ausgesprochenen Kündigung führen, wenn eine Wiederholung des unleidlichen Verhaltens geradezu auszuschließen ist. Im Allgemeinen ist die Frage, ob der Mieter nach der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten fortgesetzt hat, unwesentlich, da es genügt, dass im Zeitpunkt der Aufkündigung die Voraussetzungen für diese vorhanden waren. Im Übrigen hat das Erstgericht mit seinen Hinweisen auf das Verhalten des Beklagten im Prozess richtig ausgeführt, dass mangels jeglicher Einsicht eine Besserung des Fehlverhaltens im Falle einer Aufhebung der Aufkündigung nicht erwartet werden kann.

 

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Verwirklichung des Kündigungstatbestands auch nicht dadurch gehindert, dass ein Mieter subjektiv der Ansicht ist, er wäre mit seinem Verhalten, das anderen das Zusammenleben verleidet, im Recht. Vielmehr wird eine subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht vorausgesetzt; entscheidend ist, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückzuführen ist.

 

Schließlich vermag sich der erkennende Senat auch nicht der Auffassung des Berufungsgerichts - und des Revisionsgegners - anzuschließen, der Beklagte habe mit seinen (von beiden Instanzen als unberechtigt qualifizierten) ständigen Vorwürfen in erster Linie die in der Verwaltung tätigen Mitarbeiter der Klägerin belästigt, nicht aber der Hausbesorgerin selbst, das „Zusammenleben“ verleidet. Dabei wurde offenbar die Feststellung des Erstgerichts übersehen, dass sich die Hausbesorgerin durch das Verhalten des Beklagten sehr belästigt fühlt; es ist auch aktenkundig, dass sie mehrmals an die Hausverwaltung herangetreten ist, sich über die psychische Belastung durch das „Mobbing“ beklagt und um Hilfe gebeten hat.

 

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann es somit keinem Zweifel unterliegen, dass der vom Erstgericht angenommene Kündigungsgrund durch das Verhalten des Beklagten erfüllt wurde. Dabei fallen nicht nur die ordinären Beschimpfungen und das ständige Verfolgen mit unberechtigten Anzeigen bei der Hausverwaltung ins Gewicht, sondern va seine Ankündigung, er werde so lange keine Ruhe geben, bis die Hausbesorgerin „weg ist“. Dass er dabei auch das Bellen ihrer Hunde provoziert hat, um bei der Hausverwaltung den Eindruck zu erwecken, er werde seit Jahren durch häufiges Hundegebell gestört, lässt deutlich erkennen, dass er seinen Plan, die Hausbesorgerin wegzubekommen, nachhaltig und bösartig verfolgte.