19.05.2015 Zivilrecht

OGH: Eheverfehlungen nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung

Eheverfehlungen nach der Zerrüttung der Ehe sind dann von Bedeutung, wenn sie der verletzte Ehegatte bei verständigender Würdigung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch diese Verfehlungen nicht ausgeschlossen werden kann; Letzteres ist insbesondere bei Misshandlungen möglich; ob noch eine Vertiefung der Zerrüttung der Ehe als möglich anzusehen ist oder bereits ausgeschlossen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls


Schlagworte: Eherecht, Eheverfehlungen nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung, Verschulden
Gesetze:

 

§ 60 EheG, § 49 EheG, § 61 EheG, § 55 EheG

 

GZ 10 Ob 80/14h, 24.02.2015

 

OGH: Es trifft zwar zu, dass Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der unheilbaren Zerrüttung der Ehe fallen, bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle spielen. Eheverfehlungen nach der Zerrüttung der Ehe sind aber nach stRsp dann von Bedeutung, wenn sie der verletzte Ehegatte bei verständigender Würdigung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch diese Verfehlungen nicht ausgeschlossen werden kann. Letzteres ist insbesondere bei Misshandlungen möglich. Ob noch eine Vertiefung der Zerrüttung der Ehe als möglich anzusehen ist oder bereits ausgeschlossen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Handgreiflichkeiten der Klägerin im Jahr 2012 hätten zu einer Vertiefung der Zerrüttung beim Beklagten, der auch damals noch die Ehe mit der Klägerin fortsetzen wollte, geführt und seien daher als Eheverfehlungen der Klägerin bei der Verschuldensabwägung zu berücksichtigen, steht daher im Einklang mit der Rsp des OGH.

 

Bei beiderseitigem Verschulden muss ein sehr erheblicher Unterschied im Grad des Verschuldens gegeben sein, um ein überwiegendes Verschulden eines Teils annehmen zu können. Ein überwiegendes Verschulden ist nur dann anzunehmen und auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensteile augenscheinlich hervortritt. Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe betrifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls. Auch die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Parteien treffe ein gleichteiliges Verschulden an der Zerrüttung ihrer Ehe, stellt keine vom OGH im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zu Lasten der Klägerin dar.