OGH: Zur ergänzenden Vertragsauslegung eines Wasserbezugs-Vertrages
Fehlkalkulationen, die dem Lieferanten auch unter der Annahme, dass ein Projekt zur Gänze realisiert würde, unterlaufen sind, dürfen nicht mit den Mitteln der ergänzenden Vertragsauslegung korrigiert werden
§ 914 ABGB
GZ 3 Ob 122/14h, 18.02.2015
Die klagende Partei ist eine Wassergenossenschaft, die nur zum Zwecke der Versorgung eines Feriendorfes gegründet wurde, das Feriendorf ist ihr einziger Kunde.
OGH: Haben die Parteien den Fall, dass das Projekt nur mit einer weit geringeren Bettenzahl realisiert würde, nicht geregelt, so liegt eine Vertragslücke vor, für die eine dispositive Regelung nicht besteht und die im hier gegebenen Fall eines Vertrags zwischen Unternehmern durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin damit hätte rechnen können, dass das Projekt nur teilweise realisiert würde: Ergänzende Vertragsauslegung setzt (nur) voraus, dass nach Abschluss des Vertrags ein Konfliktfall auftritt, den die Parteien nicht bedachten und daher auch nicht ausdrücklich regelten. Darauf, ob den Parteien das Eintreten des Konflikts vorhersehbar war, kommt es für die Bejahung der ergänzenden Vertragsauslegung nicht an. Es ist daher unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten.
Redliche und vernünftige Parteien würden daher den Preis (bzw die vereinbarte Mindestabnahmemenge) so anpassen, wie sie ihn unter Zugrundelegung der konkreten Dimensionierung der Ferienanlage, die aus nicht von den Parteien zu vertretenden Umständen entgegen den beiderseitigen Erwartungen weit geringer ausfiel, unter Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten.
Allerdings dürfen Fehlkalkulationen, die der Klägerin auch unter der Annahme, dass das Projekt zur Gänze realisiert würde, unterlaufen sind, mit den Mitteln der ergänzenden Vertragsauslegung nicht korrigiert werden. Vielmehr muss die subjektive Äquivalenz zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewahrt bleiben. Das Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung ist ab dem Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der von den Parteien nicht bedachte Konfliktfall eingetreten ist.