11.05.2015 Verfahrensrecht

OGH: Europäisches Mahnverfahren nach der EuMahnVO

Die Ansicht des Rekursgerichts, zu den dem Überweisungsbeschluss zugrunde liegenden Annahmen gehöre auch die Beurteilung der Zulässigkeit der neuerlichen Einbringung eines Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls, sodass sich eine Überprüfung im ordentlichen Verfahren verbiete, steht im Einklang mit der Rsp


Schlagworte: Europäisches Mahnverfahren, Überweisungsbeschluss, Zurückweisungsbeschluss, zuständiges Gericht, neuerlicher Antrag
Gesetze:

 

EuMahnVO, § 252 ZPO

 

GZ 10 Ob 77/14t, 24.02.2015

 

OGH: Für die Durchführung des Europäischen Mahnverfahrens nach der EuMahnVO ist in Österreich ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig (§ 252 Abs 2 ZPO). Für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens ist das nach Einlangen des Einspruchs vom Antragsteller bzw Kläger fristgerecht namhaft gemachte Gericht zuständig, an das die Rechtssache überwiesen wurde und das sich als zuständig erachtet (§ 252 Abs 3 ZPO).

 

Da im Vorverfahren die fristgerechte Bezeichnung des für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens zuständigen Gerichts unterblieben war, war die Klage von dem für das ordentliche Verfahren über die Klage unzuständigen Bezirksgericht für Handelssachen Wien zurückzuweisen (§ 252 Abs 3 letzter Satz ZPO).

 

Zwar sind auch Zurückweisungsbeschlüsse der materiellen Rechtskraft fähig. Deren Rechtskraftwirkung erstreckt sich aber lediglich auf den maßgeblichen Zurückweisungsgrund.

 

Durch die Zurückweisung im Vorverfahren steht demnach nur fest, dass dort der Klage als Prozesshindernis die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens entgegenstand. Damit stimmt die Rechtsansicht des Rekursgerichts überein, die Rechtskraftwirkung des im Vorverfahren ergangenen Zurückweisungsbeschlusses hindere im Folgeverfahren das Bezirksgericht für Handelssachen Wien bzw das nach Überweisung für das ordentliche Verfahren zuständige Erstgericht nicht daran, eine Sachentscheidung zu treffen.

 

In der Lehre wird die Ansicht vertreten, nach den Wertungen des Europäischen Mahnverfahrens solle nach Erhebung des Einspruchs durch den Antragsgegner und Verzicht des Antragstellers auf die Möglichkeit der Überleitung in das ordentliche Erkenntnisverfahren die erneute Inanspruchnahme des Europäischen Mahnverfahrens nicht möglich sein. Zum Unterschied von den Fällen des Art 11 Abs 3 EuMahnVO habe hier der Schutz des Antragsgegners der Erleichterung des Rechtszugangs zugunsten des Antragstellers vorzugehen. Der Antragsteller solle deshalb nur einmal die Möglichkeit haben, ein vorgeschaltetes, beschleunigtes Verfahren in Anspruch zu nehmen.

 

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, diese Frage könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil sie nach Überleitung in das ordentliche Verfahren nicht mehr zu prüfen sei, weicht von der Rsp des OGH nicht ab:

 

Gemäß Art 17 Abs 1 EuMahnVO wird bei rechtzeitiger Erhebung des Einspruchs das Verfahren vor dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats gemäß den Regeln des ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt, wobei die Überleitung nach dem Prozessrecht dieses Staats zu erfolgen hat (Art 17 Abs 2 EuMahnVO). § 252 Abs 3 ZPO bestimmt dazu, dass im Fall der fristgerechten Namhaftmachung eines Gerichts durch den Antragsteller die Rechtssache an dieses Gericht zu überweisen ist. Da nach § 252 Abs 2 ZPO ein Antrag auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls einer Klage gleichzuhalten ist, erfordert die Überleitung in das ordentliche Verfahren nach fristgerechter Einspruchserhebung keine gesonderte Klageerhebung. Die Überweisung hebt die Streitanhängigkeit nicht auf; die Prüfung der Zuständigkeit obliegt dem Gericht, an das die Rechtssache überwiesen wurde.

 

In der Entscheidung 4 Nc 27/13b wurde bereits ausgesprochen, dass die Überleitung in das ordentliche Verfahren nicht anders zu beurteilen sei, als bei einem Überweisungsbeschluss nach § 44 JN, der das Adressatgericht ebenfalls bindet. Da für das Verfahren zur Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig sei, komme etwa die Beurteilung, ob ein wirksamer und rechtzeitiger Einspruch vorliege, nur diesem Gericht zu; das namhaft gemachte Gericht sei im ordentlichen Verfahren an die dem Überweisungsbeschluss zu Grunde liegenden Annahmen gebunden.

 

Die Ansicht des Rekursgerichts, zu den dem Überweisungsbeschluss zugrunde liegenden Annahmen gehöre auch die Beurteilung der Zulässigkeit der neuerlichen Einbringung eines Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls, sodass sich eine Überprüfung im ordentlichen Verfahren verbiete, steht im Einklang mit der angeführten Rsp. Ein Grund, warum der Klägerin das ordentliche Verfahren, das sie bisher noch nicht in Anspruch genommen hat, nicht offen stehen sollte, ist nicht ersichtlich.