OGH: Sachwalterbestellung iZm Vertretung vor Gerichten
Die Möglichkeit, dass sich eine betroffene Person einer anwaltlichen Vertretung bedienen kann, reicht nicht aus, eine Sachwalterschaft entbehrlich zu machen
§§ 268 ff ABGB
GZ 3 Ob 230/14s, 18.02.2015
In ihren außerordentlichen Revisionsrekursen stellen die (wieder durch den Verfahrenshelfer vertretene) Betroffene und der Sachwalter in den Vordergrund, dass es angesichts der Möglichkeit, sich in rechtlich einwandfreier Weise der Hilfe Dritter zu bedienen (zB richterliche Manuduktionspflicht, Bestellung eines Verfahrenshelfers), keiner Sachwalterbestellung bedürfe. Den Beschlüssen der Vorinstanzen lasse sich auch nicht entnehmen, aufgrund welcher konkreten Umstände die Befürchtung nahe liege, die Betroffene werde sich in Hinkunft selbst Schaden zufügen, würde kein Sachwalter bestellt.
OGH: Ob ausreichend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, ist immer eine individuell zu beurteilende Frage des Einzelfalls. Gleiches gilt für die Frage, in welchem Umfang aufgrund einer psychischen Krankheit oder Behinderung ein Sachwalter zu bestellen ist.
Den außerordentlichen Revisionsrekursen ist zuzugestehen, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen nur knapp erkennen lassen, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang der Betroffenen Nachteile drohen, wenn ihr kein Sachwalter beigegeben wird. Bloß drohender Prozessaufwand reicht beispielsweise nicht für die Annahme eines relevanten Nachteils aus, dem durch die Sachwalterbestellung begegnet werden soll.
Tatsächlich war die Betroffene bereits in eine Reihe von Zivilverfahren involviert und sie begründet ihre Rechtsverfolgung bzw -verteidigung auch in einer Art, die die Gefahr nahelegt, dass sie sich durch ihr Verhalten selbst Nachteile zufügt.
In diesem Zusammenhang greift die Argumentation in den Revisionsrekursen, die Betroffene sei durch die richterliche Anleitungspflicht und die Anwaltspflicht vor Nachteilen geschützt, zu kurz:
Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, seinen Mandanten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen. Auch dann, wenn eine Partei für sie nachteilige Weisungen erteilt, hat er nicht auf die Willensbildung einzuwirken, sondern sie über die nachteiligen Folgen zu belehren. Dadurch ist auch in einem Anwaltsprozess die Gefahr nicht auszuschließen, dass sich eine Partei selbst schädigt, indem sie „sinnlose“ Weisungen erteilt. Daher reicht auch die Möglichkeit, dass sich eine betroffene Person einer anwaltlichen Vertretung bedienen kann, nicht aus, eine Sachwalterschaft entbehrlich zu machen. Gerade im vorliegenden Fall ist der Gefahr zu begegnen, dass die Betroffene einem Rechtsanwalt falsche Weisungen erteilt, ihm einen unrichtigen Sachverhalt schildert oder seine Handlungen nicht kritisch zu hinterfragen vermag. Darüber hinaus schützen richterliche Manuduktionspflicht und Verfahrenshilfegewährung nicht vor Kostenersatzansprüchen des obsiegenden Prozessgegners.