27.04.2015 Zivilrecht

OGH: Hälftegesellschafter (ohne Geschäftsführerfunktion) einer GmbH als Verbraucher iSd § 1 KSchG?

Ein Hälftegesellschafter, der zwar nie Geschäftsführer war, jedoch sämtliche wichtige wirtschaftliche Entscheidungen nur unter seiner Einbindung und nach vorangegangener Rücksprache mit ihm getroffen wurden und der nicht nur ein eigenes wirtschaftliches Interesse, sondern auch Kenntnis über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens hatte, ist Unternehmer und nicht Verbraucher


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Verbraucher, Hälftegesellschafter (ohne Geschäftsführerfunktion) einer GmbH
Gesetze:

 

§ 1 KSchG

 

GZ 6 Ob 170/14i, 29.01.2015

 

OGH: Der erkennende Senat hat erst jüngst in der Entscheidung 6 Ob 43/13m ua ausgeführt:

 

„8.1. Nach stRsp ist die Verbraucher- bzw Unternehmereigenschaft eines Gesellschafters in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen. Darin liegt der Sache nach eine teleologische Reduktion. Maßgeblich ist demnach, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird.

 

8.2. Die teleologische Reduktion hat nicht beim Anwendungsbereich des § 1 KSchG zu erfolgen, sondern bei der jeweils konkret fraglichen Norm. Diese Auffassung entspricht hLuRsp.

 

8.3. Nach hA ist für die Unanwendbarkeit konsumentenschutzrechtlicher Vorschriften in erster Linie maßgeblich, inwieweit der Gesellschafter Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen kann. Der bloße Umstand, ob der Gesellschafter darüber hinaus auch Geschäftsführer ist, ist demgegenüber nicht ausschlaggebend.

 

8.4. Demgemäß stellte der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 105/10z darauf ab, ob der Gesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen der Gesellschaft ausüben konnte. Dieser Fall betraf eine Konstellation, in der beide Gesellschafter jeweils 50 % hielten. Auch die Entscheidung 2 Ob 169/11h, der die Kreditvergabe an eine GmbH zu Grunde lag, der der geschäftsführende Minderheitsgesellschafter mit einer (durchgerechneten) Beteiligung von 32,5 % als Bürge beigetreten war, stellte auf den beherrschenden Einfluss des Gesellschafters auf die Geschäftsführung ab. Dieser werde typischerweise durch eine Mehrheit der Geschäftsanteile vermittelt. Darüber hinaus sei eine Vermittlung von 'beherrschendem' bzw 'entscheidendem' Einfluss auf die Geschäftsführung auch bei einer gesellschaftsvertraglichen Sperrminorität ausreichend.

 

8.5. Neuerdings hat der OGH in der Entscheidung 4 Ob 232/12i im Fall eines atypischen Kommanditisten, der zusammen mit seinem Bruder die Geschäfte der KG führte, diese Auffassung auch auf den geschäftsführenden Gesellschafter einer Personengesellschaft übertragen. ...“

 

Zuletzt stellte der OGH in der Entscheidung 8 Ob 72/14t klar, dass sich der (dort) Beklagte nicht mehr auf die Entscheidung 7 Ob 266/06b berufen könne. In dieser Entscheidung habe der OGH zwar zu § 1 KSchG ausgesprochen, dass ein Gesellschafter, der nicht auch Geschäftsführer der Gesellschaft ist, mangels eigener unternehmerischer Tätigkeit als Verbraucher zu beurteilen sei. Diese Entscheidung entspreche jedoch heute nicht mehr dem Stand der Rsp. Maßgeblich sei, ob der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird und dementsprechend einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann.

 

Bei einer solchen wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bei der Beurteilung, welchen Einfluss eine bestimmte Person auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nahm bzw nehmen konnte, kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Dem Berufungsgericht, welches sich insbesondere auf die bereits erwähnte Entscheidung 6 Ob 43/13m stützte, ist bei Beurteilung dieser Umstände ein vom OGH aus den in § 502 Abs 1 ZPO genannten Gründen aufzugreifender Fehler nicht vorzuwerfen.

 

Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen traf der wirtschaftlich erfahrene Beklagte, der zwar Hälftegesellschafter der GmbH, jedoch nie deren Geschäftsführer war, in sämtlichen Angelegenheiten iZm der Gründung der Gesellschaft und in wirtschaftlichen Belangen, so etwa, in welcher Höhe der Kredit aufgenommen werden sollte, die Entscheidungen gemeinsam mit seinem Mitgesellschafter. Auch dem Fremdgeschäftsführer teilte der Beklagte mit, dass er zwar nicht operativ mitarbeiten werde, wichtige wirtschaftliche Entscheidungen jedoch nur unter Einbindung des Beklagten und nach vorangegangener Rücksprache getroffen werden. Der Geschäftsführer hielt bei der Kreditvergabe ständig Rücksprache mit den Gesellschaftern. Der Vertrag wurde erst nach deren Einverständnis abgeschlossen, wobei dem Beklagten zuvor der Vertragstext übermittelt worden war. Der Beklagte hatte ein wirtschaftliches Interesse an dem der GmbH eingeräumten Kredit, weil er ansonsten als Hälftegesellschafter das Hotel nicht gekauft hätte; er hatte auch Kenntnis über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens.

 

Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage den Beklagten, der für den von der Klägerin gewährten Kredit als Garant haftet, als Unternehmer und nicht als Verbraucher einstufte und damit § 25c KSchG nicht anwendete, so ist darin keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung zu sehen. Dass sich - wie die außerordentliche Revision meint - der OGH der Literaturmeinung von Huemer (JBl 2007, 240 [Entscheidungsanmerkung zu 4 Ob 108/06w]), wonach ein Gesellschafter, der nicht mehr als 50 % der Anteile hält, nur bei Streubesitz an den übrigen Anteilen relevanten Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben könne, angeschlossen hätte, ist den Entscheidungen 6 Ob 105/10z und 2 Ob 169/11h nicht zu entnehmen.