20.04.2015 Verfahrensrecht

OGH: Verfahrensleitender Beschluss iSd § 45 Satz 2 AußStrG (hier: Auftrag, zur Interaktionsbeobachtung iZm Obsorgeverfahren)

Erst die Obsorgeentscheidung auf Basis von Sachverständigengutachten, die bei Nichtwirkung der Mutter auf andere Befundgrundlagen zurückgreifen müssen, kann nach Lage des Falls zu einem anfechtbaren Ergebnis führen; dass die Methodenwahl der Beweisaufnahme, wozu auch die Auswahl des geeignetsten Orts der Befundaufnahme - unter zwingender Beachtung des Kindeswohls - gehört, grundsätzlich zum Kern der Sachverständigentätigkeit zählt, bedarf keiner besonderen Erörterung


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Familienrecht, Rekurs, Obsorge, verfahrensleitende Beschlüsse, Mitwirkungspflichten im Rahmen der Stoffsammlung, Interaktionsbeobachtung, Sachverständige, Bestellung
Gesetze:

 

§ 45 AußStrG

 

GZ 9 Ob 11/15f, 20.03.2015

 

OGH: Beschlüsse des Gerichts erster Instanz können gem § 45 Satz 1 AußStrG mit Rekurs an das Gericht zweiter Instanz angefochten werden. Gemäß § 45 Satz 2 AußStrG sind aber verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die (Haupt-)Sache anfechtbar. Vom Vorliegen der gesetzlichen Anordnung selbständiger Anfechtung ist hier nicht auszugehen. Die Rsp zählt zu den verfahrensleitenden Beschlüssen im Rahmen eines Beweisverfahrens getroffene Erledigungen (Beschlüsse, Aufträge und Verfügungen), die der Stoffsammlung dienen und deren Ziel es ist, die Sachverhaltsgrundlage für die gerichtliche Sachentscheidung zu klären oder zu verbreitern. Dementsprechend ist etwa ein Beschluss, mit dem ein Sachverständiger bestellt oder abberufen wird, als verfahrensleitender Beschluss anzusehen. Die Bestellung des Sachverständigen kann nämlich nicht als meritorische Entscheidung iZm einer möglichen Entziehung oder Einschränkung der Obsorge beurteilt werden.

 

Außer den Entscheidungen, die der Stoffsammlung dienen, zählen auch sonstige den Verfahrensablauf betreffende Verfügungen zu den verfahrensleitenden Beschlüssen. Damit dienen verfahrensleitende Beschlüsse der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens, insbesondere des Beweisverfahrens, und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen.

 

Auch die Behauptung, durch den Inhalt der einer Partei auferlegten Mitwirkungspflichten würde in ihre Persönlichkeitsrechte eingegriffen werden, nimmt dem entsprechenden Beschluss nicht den Charakter eines verfahrensleitenden Beschlusses. So wurde etwa der gerichtliche Auftrag an die Mutter, das Kind einer Entwicklungsdiagnostik zuzuführen, als verfahrensleitender und damit nicht abgesondert anfechtbarer Beschluss angesehen.

 

Der Grund, warum bei verfahrensleitenden Beschlüssen von einer gesonderten Anfechtbarkeit abgesehen wird, wird va darin gesehen, dass solche Erledigungen nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Parteien eingreifen. Die Anfechtbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung ist va nach dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung rechtlicher Interessen zu beurteilen. Ist die Rechtsstellung der Parteien unmittelbar beeinträchtigt, so liegt im Allgemeinen nicht lediglich ein verfahrensleitender Beschluss vor.

 

Anders als etwa im Falle der Anordnung einer Besuchsbegleitung nach § 111 AußStrG bzw § 185c AußStrG aF, der Bestellung eines Kollisionskurators, eines Kinderbeistands nach § 104a Abs 1 AußStrG oder eines Besuchsmittlers nach § 106b AußStrG wird hier durch die der Mutter im Rahmen der Stoffsammlung aufgrund des von ihr gestellten Antrags auferlegte Mitwirkung deren Rechtsstellung (als derzeit nicht obsorgeberechtigte Mutter) nicht beeinträchtigt. Die im Revisionsrekurs dazu vorgetragenen Argumente, die Mutter sei durch den angefochtenen Beschluss formell und materiell beschwert, rechtlich geschützte Interessen der Mutter, ihres Ehegatten und ihrer vier Kinder seien dadurch beeinträchtigt, weil mit der bekämpften Anordnung in ihre Lebensgestaltung und Lebensführung eingegriffen werde, betreffen nicht ihre Rechtsstellung (im Verfahren) als nicht obsorgeberechtigte Mutter des mj Sohnes G***** A*****. Erst die Obsorgeentscheidung auf Basis von Sachverständigengutachten, die bei Nichtwirkung der Mutter auf andere Befundgrundlagen zurückgreifen müssen, kann nach Lage des Falls zu einem anfechtbaren Ergebnis führen. Dass die Methodenwahl der Beweisaufnahme, wozu auch die Auswahl des geeignetsten Orts der Befundaufnahme - unter zwingender Beachtung des Kindeswohls - gehört, grundsätzlich zum Kern der Sachverständigentätigkeit zählt, bedarf keiner besonderen Erörterung.