20.04.2015 Zivilrecht

OGH: Maßnahmen des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 211 ABGB – zur Eingriffsintensität

Der Jugendwohlfahrtsträgers ist nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB dazu verpflichtet, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen mit vorläufiger Wirkung bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst zu treffen


Schlagworte: Familienrecht, erforderliche Maßnahmen der Pflege und Erziehung, Jugendwohlfahrtsträger
Gesetze:

 

§ 211 ABGB

 

GZ 6 Ob 209/14z, 15.12.2014

 

OGH: Die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin zur Abstufung der erlaubten Eingriffsintensität lassen außer Acht, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB dazu verpflichtet ist, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen mit vorläufiger Wirkung bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst zu treffen.

 

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kam es seit Herbst 2013 vermehrt zu Meldungen von Nachbarn, wonach teilweise bis Mitternacht und va morgens die Mutter mit dem Kind lautstark schreie. Die Kindesmutter war mit der Alltagsbewältigung in vielen Bereichen überfordert und lehnte existenzsichernde Maßnahmen wie das kostenlose Mittagessen im Kindergarten oder finanzielle Unterstützung aus einem Solidaritätsfonds ab. Sie weigerte sich auch, die Mindestsicherung zu beantragen und Unterhalt einzufordern, weshalb sie die Miete und den Kindergarten nicht bezahlen konnte. Da sie auch die Stromrechnungen nicht mehr beglich, wurde ihr der Strom abgeschaltet, sodass weder Herd noch Licht oder Waschmaschine funktionierten. Außerdem hatte sie bereits im Sommer 2013 das Gas abbestellt, sodass sie dem Minderjährigen weder Warmwasser noch eine Heizmöglichkeit bieten konnte. In der Wohnung gab es auch kein genießbares Essen. Bei dieser Sachlage war die Kindesabnahme mit November, sohin in der kalten Jahreszeit, schon zur Vermeidung einer Erkrankung oder sonstigen Schädigung des Minderjährigen dringend geboten.

 

Die Revisionsrekurswerberin wendet sich ausschließlich dagegen, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger selbst handelte, anstatt einen Antrag an das Gericht zu stellen. Gründe dafür, dass die Fremdunterbringung im Ergebnis nicht geboten war, bringt sie in ihrem Revisionsrekurs nicht vor.