13.04.2015 Verfahrensrecht

OGH: § 357 ZPO – zur Frage, ob durch eine schriftliche Gutachtensergänzung ein Fragerecht an den Sachverständigen und damit das Parteiengehör in unzulässiger Weise ausgeschlossen wird, wenn präsumptive ergänzende Fragestellungen dadurch nicht vorgenommen werden konnten

Da die Parteien das Recht haben, die Ladung des Sachverständigen zwecks Erläuterung des Gutachtens zu beantragen, begründet es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn das Gericht den Sachverständigen entgegen dem (begründeten) Parteiantrag nicht zur mündlichen Streitverhandlung lädt; hat das Gericht aber den Parteien von vornherein gar keine Gelegenheit gegeben, sich zum schriftlichen Gutachten zu äußern, so verwirklicht dies nach der jüngeren Rsp des OGH als Verletzung des rechtlichen Gehörs den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO


Schlagworte: Beweisaufnahme, schriftliche Gutachtensergänzung, Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gesetze:

 

§ 357 ZPO, § 477 ZPO, Art 6 EMRK

 

GZ 6 Ob 216/14d, 29.01.2015

 

OGH: Wird das Gutachten schriftlich erstattet, so sind die Sachverständigen verpflichtet, auf Verlangen über das schriftliche Gutachten mündliche Aufklärungen zu geben oder dieses bei der mündlichen Verhandlung zu erläutern (§ 357 Abs 2 ZPO). Das „Verlangen“ können nach hRsp nicht nur das Gericht, sondern auch die Parteien stellen.

 

Da die Parteien das Recht haben, die Ladung des Sachverständigen zwecks Erläuterung des Gutachtens zu beantragen, begründet es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn das Gericht den Sachverständigen entgegen dem (begründeten) Parteiantrag nicht zur mündlichen Streitverhandlung lädt. Hat das Gericht aber den Parteien von vornherein gar keine Gelegenheit gegeben, sich zum schriftlichen Gutachten zu äußern, so verwirklicht dies nach der jüngeren Rsp des OGH als Verletzung des rechtlichen Gehörs den Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Dieser Fall ist hier nicht gegeben. Hier wurde das Gutachten schriftlich entsprechend den Fragen der beklagten Partei ergänzt und diese Gutachtensergänzung in einer Tagsatzung auch verlesen. Vor allem aber könnte eine Nichtigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens an den OGH auch nicht herangetragen werden, läge doch eine vom Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen (dies genügt) verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz vor.