OGH: § 364 Abs 2 ABGB – Abfließen von Schlamm auf Nachbargrundstück iZm landwirtschaftlicher Bewirtschaftung
Erfolgte die landwirtschaftliche Nutzung sachgerecht und hatte - im Hinblick auf den außergewöhnlichen Starkregen - nur unmaßgebliche Auswirkungen auf die Erhöhung des Risikos der Bodenerosion und in der Folge der Verschlammung des Abfließens des Wassers, besteht weder ein Anspruch iSd § 364 Abs 2 ABGB noch nach § 39 WRG
§ 364 ABGB, § 39 WRG
GZ 1 Ob 4/15t, 22.01.2015
OGH: Mit Veränderungen der natürlichen Abflussverhältnisse durch Maßnahmen im Zuge der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung hat sich der OGH bereits befasst. Gem § 39 Abs 1 WRG darf der Eigentümer eines Grundstücks den natürlichen Abfluss der sich darauf ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstücks nicht willkürlich ändern. Dieses an sich verwaltungsrechtliche Verbot der Privatwillkür konkretisiert nachbarrechtliche Rücksichtnahmepflichten zum Schutz des Unterliegers. Ausgangspunkt der Lösung der nachbarrechtlichen Konfliktsituation ist stets der natürliche (ungeregelte Zustand) eines Gewässers. Die mit dem von der Natur vorgesehenen Wasserlauf verbundenen Nachteile treffen grundsätzlich jenen, in dessen Vermögen sie sich ereignen. Das Abfließen von Schlamm auf ein Nachbargrundstück infolge von Bodenerosion oder Murenabgängen kann daher nur dann eine unzulässige Einwirkung iSd § 364 Abs 2 ABGB sein, wenn ein Verstoß gegen § 39 Abs 1 WRG vorliegt. Dabei ist insbesondere auch die Ausnahmebestimmung des § 39 Abs 3 WRG zu beachten. Eine Änderung der Ablaufverhältnisse mit ihren Konsequenzen ist demnach zulässig, soweit sie durch die „ordnungsgemäße Bearbeitung“ eines landwirtschaftlichen Grundstücks „notwendigerweise bewirkt“ wird). Um eine Haftung zu begründen, kommt es darauf an, ob das Risiko einer Verschlammung durch die ordnungswidrige Bewirtschaftung des Grundstücks unzulässig erhöht wurde.
Nach den Feststellungen spielt der Maisanbau im Gebiet, in dem sich die Liegenschaften befinden, eine große Rolle und ist ortsüblich. Im Juni 2012 kam es innerhalb kurzer Zeit an drei Tagen zu heftigen Regenfällen. Bei einem Starkregen wie am 12. 6. 2012, der zur Überflutung der Liegenschaft der Klägerin führte, könnte die Art der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitung bei erosionsgefährdeten Kulturen die Gefahr der Erosion zwar minimieren, aber nicht verhindern. Der Maisanbau auf dem Acker der Beklagten erfolgte (nach landwirtschaftlichen Grundsätzen) ordnungsgemäß. Dabei wurde eine konservierende Bodenbearbeitung angewendet und in Richtung der Liegenschaft der Klägerin vor der Straße ein Dauergrünland angelegt, was dazu beiträgt, dass die Erosion minimiert wird und möglichst wenig Bodenfraktionen außerhalb der landwirtschaftlichen Nutzfläche gelangen. Aus landwirtschaftlicher Sicht war in der konkreten Situation an diesem Ort von einem Landwirt kein anderer Anbau zu fordern.
Die Liegenschaft der Beklagten wurde daher ortsüblich und in einer ordnungsgemäßen, den Grundsätzen landwirtschaftlicher Betriebsführung entsprechenden, sachgerechten Art und Weise bestellt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass damit keine unzulässige Einwirkung iSd § 364 Abs 2 ABGB vorliege, wenn es bei besonders ungünstigen Wetterverhältnissen (insbesondere Starkregenereignissen) zum Eindringen erheblicher Wasser- und Schlammmengen auf die Liegenschaft der Klägerin kommt, ist nicht zu beanstanden. Dass die den Grundsätzen landwirtschaftlicher Betriebsführung entsprechende Bestellung eines Feldes zu Bodenzuständen führt, die bei starken Regenfällen den Abfluss von Oberflächenwasser und Schlamm auf das unterliegende Grundstück begünstigen, ist regelmäßig keine unmittelbare Zuleitung iSd § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB. Mit dem Vorliegen einer unzulässigen Immission nach § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB argumentiert die Klägerin nicht. Erfolgte die landwirtschaftliche Nutzung (wie hier) sachgerecht und hatte - im Hinblick auf den außergewöhnlichen Starkregen - nur unmaßgebliche Auswirkungen auf die Erhöhung des Risikos der Bodenerosion und in der Folge der Verschlammung des Abfließens des Wassers, besteht weder ein Anspruch iSd § 364 Abs 2 ABGB noch nach § 39 WRG.