OGH: Aufklärungs- und Beratungspflichten des Anlageberaters
Einem versierten und aufgeklärten Bankkunden kann zugemutet werden, seine wirtschaftlichen Interessen als Anleger selbst ausreichend zu wahren; die Anforderungen an die Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank dürfen nicht überspannt werden
§§ 1295 ff ABGB, § 13 WAG aF
GZ 6 Ob 229/14s, 19.02.2015
OGH: Für den Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Nach stRsp ist an die Sorgfalt, die die Bank bei Effektengeschäften gegenüber dem Kunden anzuwenden hat, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Die Informationserteilung muss dem Gebot vollständiger, richtiger und rechtzeitiger Beratung genügen, durch die der Kunde in den Stand versetzt werden muss, die Auswirkungen seiner Anlageentscheidung zu erkennen.
Die konkrete Ausgestaltung der den Anlageberater treffenden Beratungspflichten hängt freilich von den Umständen des Einzelfalls ab, die einerseits in der Person des Kunden (zB Risikobereitschaft, Renditeerwartung) und andererseits im Anlageprodukt liegen. Je spekulativer die Anlage und je unerfahrener der Kunde ist, desto weiter reichen die Aufklärungspflichten. Jedenfalls sind die Bank oder andere Berater nicht verpflichtet, einen spekulierenden Kunden zu bevormunden.
Einem versierten und aufgeklärten Bankkunden kann zugemutet werden, seine wirtschaftlichen Interessen als Anleger selbst ausreichend zu wahren; die Anforderungen an die Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank dürfen nicht überspannt werden.
§ 13 Z 3 und 4 WAG (aF) schreibt die schon bisher von LuRsp zu Effektengeschäften insbesondere aus culpa in contrahendo, positiver Forderungsverletzung und dem Beratungsvertrag abgeleiteten Aufklärungspflichten und Beratungspflichten fest.
Im vorliegenden Fall gingen die Vorinstanzen unter Zugrundelegung der Rsp des OGH zu Recht davon aus, dass die Vertreter der Klägerin über ausreichende Kenntnis verfügten, ihnen das eingegangene Risiko vollkommen bewusst war und der Beklagten keine Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzung vorwerfbar ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verzichteten die selbst sehr erfahrenen Vertreter der Klägerin ausdrücklich auf Beratung und erteilten der Beklagten keine entsprechenden Informationen, sondern traten vielmehr der Beklagten gegenüber stets als äußerst vermögende Kunden auf. Bis Herbst 2008 hatte die Beklagte keinen Hinweis darauf, dass aus möglichen Verlusten der Klägerin aus den gegenständlichen Geschäften eine Existenzbedrohung erfolgen könne. Tatsächlich lag eine derartige Existenzbedrohung offenbar auch nicht vor, war es der Klägerin doch umgehend möglich, die offenen Außenstände abzudecken. Damit ist aber in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, die unabhängig von einem allfälligen Verzicht der Beklagten auf entsprechende Aufklärung eine Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht verneint haben, keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.