23.03.2015 Baurecht

VwGH: Öffentliche Straße iSd § 2 Stmk LStVG

Bestehen Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist und in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch); hat die Behörde - sofern kein diesbezüglicher Antrag vorliegt - von Amts wegen ein Feststellungsverfahren iSd §§ 3 ff LStVG durchzuführen


Schlagworte: Steirisches Baurecht, Landes-Straßenverwaltung, öffentliche Straße
Gesetze:

 

§ 3 Stmk BauG, § 5 Stmk BauG, § 24 Stmk ROG, § 2 LStVG,§ 3 LStVG

 

GZ 2011/06/0096, 28.11.2014

 

Die Bf beabsichtigen die Errichtung einer Schrankenanlage auf dem in ihrem Miteigentum befindlichen, im geltenden Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesenen E-Weg. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Ansicht zu Grunde, dieses Bauvorhaben sei wegen Widerspruches zur Verkehrsflächenwidmung und auch deshalb aus baurechtlicher Sicht nicht zulässig, weil der E-Weg eine öffentliche Straße sei. Letzteres wurde von der belBeh insbesondere mit dem Hinweis auf die Widmungsbewilligung vom 14. August 1991 bejaht.

 

VwGH: Ein Widerspruch zu den Bestimmungen des Stmk ROG (im konkreten Fall: § 24) schließt nach § 5 Abs 1 Z 1 iVm § 29 Abs 1 Stmk BauG die Erteilung einer Baubewilligung für ein baubewilligungspflichtiges Bauvorhaben aus. Die Widmung "Verkehrsfläche" stünde im Beschwerdefall der Baubewilligung für die Errichtung einer Schrankenanlage im Hinblick auf die in § 5 Abs 4 des 3.0 Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Graz genannten, auf öffentlichen Verkehrsflächen zulässigen Einrichtungen nicht grundsätzlich entgegen.

 

Die belBeh ging aber auch davon aus, dass der E-weg eine öffentliche Straße sei, was von den Bf bestritten wurde:

 

Für das Vorliegen einer öffentlichen Straße sind allein die im § 2 Abs 1 LStVG genannten Kriterien maßgeblich, nämlich dass die in Frage stehende Straße in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt wurde. Wie der VwGH bereits ausgesprochen hat, ist unter einer langjährigen Übung iS dieser Bestimmung ein mindestens zehnjähriger Gebrauch zu verstehen. Bei Wegen, die nur die Funktion einer Zufahrtsstraße erfüllen, wird der Kreis von Benützern dieses Weges eher klein sein. Die geringere Anzahl der Personen, die den "Gemeingebrauch" tatsächlich ausüben, steht aber der Öffentlicherklärung eines solchen Weges nicht entgegen, wenn die (weitere) Voraussetzung hiefür vorliegt, nämlich, dass diese Benützung zur Befriedigung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses erfolgt (zur Möglichkeit, auch bloße Zufahrtsstraßen zu öffentlichen Straßen zu erklären, wird auf das hg Erkenntnis vom 24. Oktober 1985, VwSlg Nr 11.923/A, verwiesen). Allein in dem Umstand, dass ein Weg die einzige Zufahrtsmöglichkeit zu anrainenden, bebauten Grundstücken darstellt, liegt aber ein dringendes Verkehrsbedürfnis.

 

Die belBeh hat das Vorliegen aller Kriterien des § 2 LStVG mit dem Verweis auf die Widmungsbewilligung und vor dem Hintergrund bejaht, dass das Aufstellen von Verbotstafeln zum Zeitpunkt des Einleitens des straßenrechtlichen Verfahrens nicht die langjährige Übung iSd LStVG hindere. Wie die belBeh zu dieser Feststellung gelangte, ist jedoch nicht nachvollziehbar und wird auch nicht begründet: Weder dem angefochtenen Bescheid noch den vorgelegten Akten ist zu entnehmen, wann dieses Verfahren eingeleitet wurde. Die Bf wiesen in ihrer Berufung darauf hin, dass die Anlagenbehörde wegen der bestehenden Zweifel ein Verfahren gem § 3 LStVG eingeleitet habe, und die belBeh bezieht sich auf einen Aktenvermerk vom 16. Februar 2011, in dem festgehalten wurde, dass "im Ergebnis" kein Verfahren iSd § 3 LStVG durchzuführen sei. Demgegenüber haben die Bf auf die "seit Jahrzehnten" an beiden Einfahrten des E-Weges befindlichen Fahrverbotstafeln hingewiesen, die "auch bisher stets beachtet worden sind."

 

Ob das Kriterium der langjährigen Übung iSd § 2 Abs 1 LStVG von der belBeh zutreffend bejaht wurde, kann demnach vom VwGH nicht abschließend beurteilt werden. Bestehen aber wie im Beschwerdefall Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist und in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch); hat die Behörde - sofern kein diesbezüglicher Antrag vorliegt - von Amts wegen ein Feststellungsverfahren iSd §§ 3 ff LStVG durchzuführen. Bei Zutreffen der Annahme der belBeh, der E-Weg sei eine öffentliche Straße, stünde der Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung allerdings § 3 Stmk BauG entgegen.