11.02.2015 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage der absoluten oder relativen Nichtigkeit einer den Anforderungen nicht entsprechenden Erklärung bei der Dienstgeberkündigung iSd § 37 Abs 2 AngG

Im Verstoß gegen die in § 37 Abs 2 AngG zwingend (§ 40 AngG) vorgesehene Höhe der Karenzabgeltung liegt nur eine relative Nichtigkeit, die nur vom Dienstnehmer geltend gemacht werden kann


Schlagworte: Angestelltenrecht, vereinbarte niedrigere Karenzabgeltung, Dienstgeberkündigung, absolute / relative Nichtigkeit
Gesetze:

 

§ 37AngG

 

GZ 9 ObA 67/14i, 29.10.2014

 

OGH: Bereits in der Entscheidung 14 Ob 187/86 sprach der OGH bei vergleichbarem Sachverhalt dem klagenden Dienstnehmer, der an der rechtswidrigen Vereinbarung festhielt, die vereinbarte niedrigere Karenzabgeltung (auch nur für vier Monate) zu. Damit verneinte der OGH zumindest inhaltlich das Vorliegen einer absoluten Nichtigkeit und anerkannte ein Wahlrecht des Dienstnehmers, entweder die Klausel gegen sich gelten zu lassen und eine geringere als die gesetzlich gem § 37 Abs 2 AngG vorgesehene Karenzabgeltung zu erhalten oder die Nichtigkeit geltend zu machen und den Anspruch auf Karenzabgeltung zu verlieren.

 

Auch der Entscheidung 9 ObA 38/93 lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Das Berufungsgericht hatte dem Dienstnehmer ebenfalls einen Anspruch auf die zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte geringere Karenzabgeltung zuerkannt. In ausführlicher Auseinandersetzung mit der Frage, ob relative oder absolute Nichtigkeit vorliege, hielt es mit Verweis auf die Vorentscheidung 14 Ob 187/86 fest, dass die Vereinbarung einer zu geringen Karenzabgeltung nicht absolut nichtig sei. Es liege nur eine relative Nichtigkeit vor, die vom geschützten Dienstnehmer geltend gemacht werden könne. Die Annahme einer absoluten Nichtigkeit würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutzwirkung in ihr Gegenteil verkehren. Denn der Dienstgeber, der im Regelfall die gesetzwidrige Formulierung der Konkurrenzklausel gewählt habe, würde Nichtigkeit geltend machen und wäre auf diese Weise von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Dienstnehmer befreit. Dieser könne in der Folge nur einen bereicherungsrechtlichen Anspruch geltend machen. Die Annahme einer bloß relativen Nichtigkeit gebe hingegen dem Dienstnehmer die Möglichkeit, die Konkurrenzklausel in der vereinbarten Form gelten zu lassen. Der OGH teilte die zutreffende, am Zweck der Regelung orientierte rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts und untermauerte diese zusätzlich durch einen Vergleich mit der deutschen Rechtslage.

 

Dass der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 9 ObA 155/87, deren Gegenstand nicht das vereinbarte Teilentgelt, sondern die vom Dienstnehmer begehrte Differenz auf das volle Entgelt war, nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist, wurde ebenfalls bereits in 9 ObA 38/93 ausgesprochen.

 

In der bereits am 1. 9. 1987 ergangenen Entscheidung 5 Ob 333/87 wies der OGH den vom selben Kläger wie in 14 Ob 187/86 für die restlichen 20 Monate geltend gemachten Anspruch auf Karenzabgeltung hingegen ab. Da der Dienstgeber bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Dienstnehmer gegenüber die Erklärung abgegeben habe, für die Dauer des Konkurrenzverbots das dem Dienstnehmer zustehende Entgelt fortzuzahlen, seien alle wechselseitigen Pflichten der Arbeitsvertragsparteien erloschen. Da diese Entscheidung zur Entscheidung 14 Ob 187/86 gar nicht Stellung genommen hat, die Klagsabweisung erkennbar deswegen erfolgte, weil durch die bereits im Arbeitsvertrag vorweggenommene Vereinbarung keine Erklärung des Dienstgebers iSd § 37 Abs 2 AngG liege und der OGH in seiner späteren Entscheidung 9 ObA 38/93 ausdrücklich und begründet von einer relativen Nichtigkeit einer in einer zu geringen Höhe vereinbarten Karenzabgeltung ausging, begründet die Entscheidung 5 Ob 333/87 noch keine uneinheitliche Rsp iSd § 502 Abs 1 ZPO.

 

Soweit die Revisionswerberin argumentiert, dass der Schutzzweck der §§ 36 und 37 AngG darauf abziele, die Erwerbsfreiheit des Dienstnehmers zu schützen, nicht aber Entgeltansprüche des Dienstnehmers zu begründen oder zu sichern, so mag dies durchaus zutreffen. Die Wahrung des finanziellen Interesses des Dienstnehmers im vorliegenden Fall ist aber die Folge davon, dass den Dienstgeber kein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Nichtigkeit trifft. Dies wird von der Revisionswerberin, die auf eine von vornherein unwirksame und damit keine Rechtswirkungen auslösende Erklärung des Dienstgebers abstellt, auch nicht vertreten. Ein Wahlrecht des Dienstnehmers, dessen Interesse an einer angemessenen nachvertraglichen Bindung geschützt werden soll, entspricht aber dem Wesen der relativen Nichtigkeit. Die dadurch beeinträchtigten finanziellen Interessen des Dienstgebers werden durch § 37 Abs 2 AngG nicht geschützt.

 

Absolute Nichtigkeit, die von Amts wegen wahrzunehmen wäre, wird nach hRspuL dann angenommen, wenn der Zweck einer Verbotsnorm, die im Interesse der Allgemeinheit erlassen wurde, die absolute Nichtigkeit eines gegen das Verbot geschlossenen Geschäfts erfordert. Absolute Nichtigkeit liegt bei Verstößen gegen Gesetze vor, die dem Schutz von Allgemeininteressen, der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen. Dabei dienen jedenfalls alle jene zwingenden arbeitsrechtlichen Normen (auch) Allgemeininteressen oder der öffentlichen Ordnung, die bei Verstößen die amtswegige Verhängung von Verwaltungsstrafen durch Verwaltungsbehörden über den Arbeitgeber vorsehen (zB ASchG, AZG, ARG, MSchG). Da aber im Anlassfall die übertretene Norm im Wesentlichen dem Schutz des Dienstnehmers dient, liegt im Verstoß gegen die in § 37 Abs 2 AngG zwingend (§ 40 AngG) vorgesehene Höhe der Karenzabgeltung nur eine relative Nichtigkeit, die nur vom Dienstnehmer geltend gemacht werden kann.

 

Es ist auch hRsp, dass ein Vertragspartner ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, auch dann anfechten kann, wenn er dies bei Vertragsabschluss gewusst und dennoch keinen Vorbehalt gemacht hat. Anders wäre der Zweck solcher Verbotsnormen überhaupt nicht zu erreichen. Umso mehr kann der Dienstnehmer eine zu niedrig vereinbarte Karenzabgeltung gegen sich gelten lassen, auch wenn er von der Rechtswidrigkeit einer derartigen Vereinbarung wusste oder wissen musste (§ 2 ABGB).