28.01.2015 Verfahrensrecht

OGH: § 8 ZustG – Änderung der Abgabestelle

Ändert die Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, die Abgabestelle, ohne dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, und wird die Aufgabe der bisherigen Abgabestelle dem Gericht auch nicht auf andere Weise bekannt, so kann weiterhin an der bisherigen Abgabestelle zugestellt werden


Schlagworte: Zustellrecht, Änderung der Abgabestelle
Gesetze:

 

§ 8 ZustG, § 17 ZustG

 

GZ 9 ObA 104/14f, 29.10.2014

 

OGH: Das Rekursgericht legte dar, dass die Wohnung des Geschäftsführers ihren Charakter als Abgabestelle zum Zeitpunkt der Zustellung des Versäumungsurteils durch Hinterlegung am 30. 1. 2014 verloren habe. Es geht somit davon aus, dass diese Adresse, bevor sie aufgegeben wurde, sehr wohl verwendet wurde. Dies findet auch in der Aktenlage eine Grundlage, hat doch der Geschäftsführer der Beklagten erst im Oktober 2013 die von ihm bis dahin bewohnte Wohnung verlassen, die die Beklagte in ihrem Vorbringen zur Rechtzeitigkeit der Berufung auch als „Büro“ bezeichnet. Damit war diese Wohnung aber zumindest zu Beginn des Verfahrens eine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG, weil der Zahlungsbefehl noch im September 2013, daher zu einem Zeitpunkt, als die Wohnung vom Geschäftsführer noch tatsächlich bewohnt und benützt wurde, zugestellt wurde.

 

Zutreffend weist der Revisionsrekurswerber daher darauf hin, dass das Rekursgericht die Bestimmung des § 8 ZustG im vorliegenden Fall zu Unrecht nicht angewandt hat. Gem § 8 Abs 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist nach § 8 Abs 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten ermittelt werden kann. § 23 ZustG regelt die Anordnung und Durchführung der Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch. Als „bisherige Abgabestelle“ iSd § 8 Abs 1 ZustG ist jene Abgabestelle anzusehen, die nach dem Kenntnisstand der Partei im konkreten Verfahren der Behörde als ihre Abgabestelle bekannt ist. Das so hinterlegte Dokument gilt gem § 23 Abs 4 ZustG mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt. Abwesenheiten des Empfängers von seiner Abgabestelle iSd § 17 Abs 3 ZustG haben auf die wirksame Zustellung nach dieser Bestimmung keine Auswirkung.

 

§ 8 ZustG lässt zwar den Fall ungeregelt, dass das Gericht von der Änderung der Abgabestelle auch durch das Zustellorgan keine Kenntnis erlangt und sich daher zu Nachforschungen über die Abgabestelle des Empfängers nicht veranlasst sieht. Ändert die Partei aber während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, die Abgabestelle, ohne dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, und wird die Aufgabe der bisherigen Abgabestelle dem Gericht auch nicht auf andere Weise bekannt, so kann nach der mittlerweile gefestigten Rsp weiterhin an der bisherigen Abgabestelle zugestellt werden. Eine Hinterlegung gem § 17 ZustG wirkt daher als Zustellung, und zwar unabhängig davon, wo sich die Partei befindet und welche Abgabestelle für sie sonst in Betracht gekommen wäre.

 

Auch im vorliegenden Fall hatte die Beklagte Kenntnis von dem gegen sie anhängigen Verfahren. An der auch von ihr selbst angegebenen Adresse - der im Firmenbuch (auch noch im März 2014) aufscheinenden Geschäftsanschrift - konnte ihr im Verfahren mehrfach zugestellt werden, sie war wie ausgeführt zu Beginn des Verfahrens auch noch eine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG. Die Beklagte, die nach dem bescheinigten Sachverhalt keine unternehmerischen Aktivitäten in der vom Geschäftsführer bewohnten Wohnung (mehr) ausübte, wäre daher ab dem Auszug des Geschäftsführers im Oktober 2013 gem § 8 Abs 1 ZustG zur unverzüglichen Mitteilung der Änderung ihrer Abgabestelle an das Erstgericht verpflichtet gewesen. Wegen der Verletzung dieser Mitteilungspflicht wurde ihr das Versäumungsurteil vom 17. 1. 2014 durch Hinterlegung am 30. 1. 2014 an der bisherigen Abgabestelle zugestellt. Diese Zustellung war iSd dargestellten Rsp des OGH rechtswirksam, sodass die Berufung am 3. 3. 2014 verspätet erhoben wurde.