30.12.2014 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die Delegierung der Vornahme von Maßnahmen nach § 33 UbG (hier Festhalten eines Kranken) an Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes einer Krankenanstalt zulässig ist

Mangels gesetzlicher Grundlage darf ein Mitarbeiter eines von der Krankenanstalt beauftragten Sicherheitsdienstes keine Pflegemaßnahmen wie das Festhalten eines Kranken setzen; selbst wenn die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes auf Anordnung eines anwesenden Mitarbeiters des Pflegedienstes tätig wurden, ändert dies nichts daran, dass sie das Festhalten des widerstrebenden Kranken (naturgemäß) in der Aktion selbständig durchführen, wofür sie nicht die gesetzlich geforderte fachliche Qualifikation haben und daher nicht wie ein speziell Geschulter reagieren können


Schlagworte: Unterbringung, Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, Delegierung
Gesetze:

§ 33 UbG, GuKG

GZ 7 Ob 119/14x, 17.09.2014

 

OGH: Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine psychiatrische Abteilung gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen (§ 8 UbG). Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes können bei Gefahr in Verzug die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine psychiatrische Abteilung bringen (§ 9 Abs 2 UbG). Der Anstaltsleiter hat die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden, wenn nach seinem ärztlichen Zeugnis die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen (§ 10 Abs 1 UbG).

 

Unterliegt eine Person einer Bewegungseinschränkung, dann ist sie iSd UbG „untergebracht“, unabhängig davon, ob sie sich in einem geschlossenen Bereich befindet oder nicht. Aus dem Zusammenhang zwischen § 2 UbG und § 33 UbG ergibt sich, dass sämtliche in § 33 UbG erwähnten Formen von Beschränkungen auch zum Vorliegen einer „Unterbringung“ iSv § 2 UbG führen. Eine besondere „Erheblichkeitsschwelle“ hinsichtlich Dauer und Ausmaß der Beschränkung sieht das Gesetz nicht vor. Therapeutische und pflegerische Beweggründe können die Qualifikation einer solchen Maßnahme als Unterbringung nicht verhindern. Dies stimmt auch mit der Rsp des VwGH überein. Das Gericht ist daher berufen, die Zulässigkeit der Unterbringung bereits für die Zeit zwischen der Einlieferung in die Krankenanstalt und dem Abschluss der fachärztlichen Untersuchung zu prüfen.

 

Die Mitarbeiter der N waren im Rahmen des privatrechtlichen Vertrags auf Weisung der Krankenanstalt in deren Interesse tätig. Ihr Verhalten ist der Krankenanstalt zuzurechnen. Da der Kranke in der Krankenanstalt spätestens durch das Festhalten am Körper durch Mitarbeiter der N in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt wurde, gilt er ab diesem Zeitpunkt als untergebracht, sodass das Gericht berufen ist, die Zulässigkeit dieser Maßnahme nach § 33 UbG zu prüfen.

 

Das Festhalten diente der Anlegung der Vier-Punkt-Fixierung. Diese sollte die ärztliche Aufnahmeuntersuchung und die Krankenpflege ermöglichen.

 

Die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe dürfen nur nach Maßgabe des GuKG ausgeübt werden. Auf die Ausübung dieser Berufe findet die Gewerbeordnung keine Anwendung (§ 3 Abs 1 und 2 GuKG). Die Pflegeberufe nach dem GuKG dienen vorrangig der Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit und damit der Pflege von Personen, die medizinischer Hilfe bedürfen. Die Grenze zur Laientätigkeit liegt dort, wo medizinisches oder pflegerisches Fachwissen Voraussetzung für die fachgerechte Durchführung der Tätigkeit ist und auf Grund dieses Fachwissens Selbst- und Fremdgefährdung vermieden werden kann.

 

Angehörige von Sozialbetreuungsberufen sind nicht zur Ausübung der Pflegehilfe berechtigt (§ 3a Abs 1 Z 1 GuKG). Darüber hinaus sind Personen, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu Trägern von Einrichtungen der Behindertenbetreuung, die behördlich bewilligt sind oder der behördlichen Aufsicht unterliegen, behinderte Menschen in multiprofessionellen Teams, deren Aufgabe die ganzheitliche Begleitung und Betreuung der behinderten Menschen ist, in einer Gruppe von höchstens zwölf behinderten Menschen betreuen, nach Maßgabe bestimmter Voraussetzungen zur Durchführung unterstützender Tätigkeiten bei der Basisversorgung an den von ihnen betreuten Personen berechtigt (§ 3a Abs 3 GuKG).

 

Die Delegation von pflegerischen Tätigkeiten an Laien unterliegt den §§ 3b und 3c GuKG.

 

Für Mitarbeiter eines gewerblichen Sicherheitsdienstes besteht damit keine gesetzliche Grundlage, die sie zur Vornahme von Pflegehandlungen berechtigt. Die hier zu beurteilende körpernahe Tätigkeit des Festhaltens einer widerstrebenden Person ist von den Ausnahmebestimmungen nicht umfasst. Es werden im Gegenteil besondere Regelungen im Hinblick auf die Pflege von Personen mit psychischen Störungen und neurologischen Erkrankungen getroffen:

 

Im zweiten Hauptstück des GuKG ist der gehobene Dienst für Gesundheit und Krankenpflege geregelt. Zum Tätigkeitsbereich gehört die psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege. Diese umfasst die Betreuung und Pflege von Menschen mit psychischen Störungen und neurologischen Erkrankungen aller Alters- und Entwicklungsstufen sowie die Förderung der psychischen Gesundheit (§ 19 Abs 1 GuKG). Dazu zählt nach § 19 Abs 2 GuKG insbesondere das Beobachten, die Betreuung und Pflege sowie die Assistenz bei medizinischen Maßnahmen ua im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich von Menschen mit akuten und chronischen psychischen Störungen einschließlich untergebrachten Menschen (§ 19 Abs 2 Z 1 GuKG). Zur Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege sind Personen ua nur berechtigt, wenn sie einen entsprechenden Qualifikationsnachweis (§§ 28 - 31 GuKG) erbringen (§ 27 Abs 1 Z 3 GuKG). Die Sonderausbildung in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege dauert mindestens ein Jahr und umfasst mindestens 1.600 Stunden theoretische und praktische Ausbildung (§ 67 Abs 1 GuKG). Sie beinhaltet insbesondere die Pflege und Betreuung von Menschen mit psychischen Störungen (Z 1), mit organischen und psychischen Störungen im höheren Lebensalter (Z 3), mit Abhängigkeitserkrankungen (Z 5), mit Intelligenzminderung (Z 7), die Einführung in die Psychologie (Z 12), Psychotherapie, Supervision und Soziotherapie (Z 13), Gesprächsführung (Z 14) und Krisenintervention (Z 15).

 

Der Gesetzgeber erachtet es damit als notwendig, dass insbesondere untergebrachte Kranke nur von Personen gepflegt werden dürfen, die für diese sehr anspruchsvolle Aufgabe entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ausgebildet sind. Dies dient dem Schutz der Kranken, weil damit gewährleistet werden soll, dass die Pflegepersonen sowohl in psychischer als auch physischer Hinsicht adäquat auf den Kranken eingehen können und eine zweckmäßige Behandlung unter größtmöglicher Schonung erfolgen kann. Das GuKG enthält sogar in seinem § 105 eine Strafbestimmung, die unterbinden soll, dass die Tätigkeit des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege jemand ausübt, ohne hiezu durch dieses Bundesgesetz oder durch eine andere gesetzliche Vorschrift berechtigt zu sein.

 

Abgesehen davon, dass das GuKG ausdrücklich festlegt, dass die Gesundheitsberufe nicht der Gewerbeordnung unterliegen, ergibt sich auch für das Sicherheitsgewerbe nach § 129 Abs 1 GewO kein Hinweis auf eine besondere Ausbildung ihrer Mitarbeiter für die Bedürfnisse untergebrachter Kranker. In der taxativen Aufzählung der Aufgaben und Befugnisse von Berufsdetektiven wird der Schutz von Personen (Z 7) hervorgehoben. Diese Befugnis bezieht sich auf Maßnahmen, die für den Schutz von Angriffen auf Leben, Gesundheit und Sicherheit einer Person erforderlich sind. Die Gewerbeordnung normiert aber keine besonderen Handlungsbefugnisse für Berufsdetektive, die mit dem Schutz einer konkreten Person beauftragt sind. Sie haben nur jene Rechte, die allen Bürgern zustehen (sog „Jedermannsrechte“). Diese dürfen sie im Namen und im Auftrag ihres Auftraggebers wahrnehmen, dürfen sie aber nicht überschreiten.

 

Das Anlegung einer Vier-Punkt-Fixierung dient der Ermöglichung medizinischer oder pflegerischer Maßnahmen. Das vorangehende Festhalten des Kranken ist nicht anders zu beurteilen. Es gehört bereits zur psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege. Es besteht das gleiche Schutzbedürfnis wie bei anderen Pflegemaßnahmen. Damit ist bereits das Festhalten als eine Pflegehandlung dem Pflegepersonal nach den oben dargelegten gesetzlichen Regelungen vorbehalten. Eine vom GuKG geforderte Ausbildung haben die Mitarbeiter der N unstrittig gerade nicht.

 

Selbst wenn die Mitarbeiter der N hier auf Anordnung eines anwesenden Mitarbeiters des Pflegedienstes tätig wurden, ändert dies nichts daran, dass sie das Festhalten des widerstrebenden Kranken (naturgemäß) in der Aktion selbständig durchführen, wofür sie nicht die gesetzlich geforderte fachliche Qualifikation haben und daher nicht wie ein speziell Geschulter reagieren können.

 

Eine Notwehrsituation (eine aktuelle oder unmittelbar drohende Gefährdung von notwehrfähigen Rechtsgütern wie Leib, Leben und Gesundheit), die in dieser Ausnahmesituation einen Rechtfertigungsgrund für jedermann, also auch hinsichtlich des Einschreitens der Mitarbeiter der N, darstellen könnte (§ 19 ABGB, § 3 StGB), wurde weder behauptet noch wurde sie festgestellt, sodass sich weitere Ausführungen dazu erübrigen.