15.12.2014 Zivilrecht

OGH: Tod der alleinobsorgeberechtigten Mutter und künftige Obsorge

Wird gem § 178 Abs 1 ABGB nF zu entscheiden sein, ob in Zukunft dem Vater oder den Großeltern die Obsorge zukommen soll, und scheinen alle genannten Personen für diese Aufgabe geeignet, hat für eine vorläufige Entscheidung keine eingehende Abwägung stattzufinden, ist doch regelmäßig davon auszugehen, dass das Kindeswohl in allen Fällen gewahrt ist


Schlagworte: Familienrecht, Außerstreitverfahren, Tod der alleinobsorgeberechtigten Mutter, vorläufige Obsorgeentscheidung, künftige Obsorge, Kindeswohl
Gesetze:

§ 178 ABGB, § 107 AußStrG, § 138 ABGB

GZ 1 Ob 163/14y, 18.09.2014

 

OGH: Die Fragen der Obsorgebetrauung und der Erlassung einer vorläufigen Maßnahme hängen regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Nach § 107 Abs 2 AußStrG ist eine vorläufige Obsorgeentscheidung nach Maßgabe des Kindeswohls insbesondere zur Aufrechterhaltung der verlässlichen Kontakte und zur Schaffung von Rechtsklarheit zu treffen. Fehlt es - wie hier nach dem Tod der alleinobsorgeberechtigten Mutter - überhaupt an einer Person, der die Obsorge zukommt, hat eine vorläufige Obsorgeentscheidung zu erfolgen, wenn dringliche Maßnahmen, etwa bestimmte Vertretungshandlungen, zu setzen sind. Dass dies hier der Fall ist, bestreitet auch der Revisionsrekurswerber nicht.

 

Wird gem § 178 Abs 1 ABGB (idF des KindNamRÄG 2013) zu entscheiden sein, ob in Zukunft dem Vater oder den (mütterlichen) Großeltern die Obsorge zukommen soll, und scheinen alle genannten Personen für diese Aufgabe geeignet, hat für eine vorläufige Entscheidung keine eingehende Abwägung stattzufinden, ist doch regelmäßig davon auszugehen, dass das Kindeswohl in allen Fällen gewahrt ist. Gerade im vorliegenden Fall wird die Entscheidung über die endgültige Obsorgezuweisung durch die vorläufige Entscheidung nach § 107 Abs 2 AußStrG nicht präjudiziert, hat doch das Rekursgericht klargestellt, dass es in erster Linie um die Notwendigkeit der vorläufigen Bestellung zur Vornahme von bestimmten Vertretungshandlungen (Antrag auf Waisenpension, Vertretung im Verlassenschaftsverfahren) geht, wogegen aufgrund des nach dem Akteninhalt über einige Monate praktizierten wöchentlichen Wechsels des Aufenthaltsorts die Pflege und Erziehung faktisch ohnehin zwischen dem Vater einerseits und den Großeltern andererseits aufgeteilt ist, wodurch der Kontakt zum Vater weiter intensiviert und zugleich eine Entfremdung der Kinder von den Großeltern verhindert wurde.

 

Dass das Rekursgericht unter den gegebenen Umständen vorläufig die Großeltern mit der Obsorge betraut hat, weil diese sich in den letzten Jahren überwiegend um die Kinder gekümmert haben und sich deren Lebensmittelpunkt (Schule, Freundeskreis ...) noch an ihrem Wohnsitz befindet, bedeutet keine gravierende Fehlbeurteilung, die vom OGH korrigiert werden müsste.

 

Wenn der Revisionsrekurswerber darauf hinweist, dass bei gleicher Eignung grundsätzlich der nähere Grad der Blutsverwandtschaft den Ausschlag gebe und daher er als Vater mit der Obsorge zu betrauen gewesen wäre, übersieht er, dass es sich hier um eine bloß vorläufige Entscheidung handelt, bei der es nur darum geht, ob die Obsorge bis zur endgültigen Entscheidung vorübergehend dem Vater oder den Großeltern zukommen soll. Das Rekursgericht hat in diesem Zusammenhang besonders auf die Belastung der Kinder unmittelbar nach dem Tod ihrer Mutter abgestellt, die sich mit dem Zeitverlauf und der Intensivierung des Kontakts zum Vater verringern wird. Ob es allenfalls für die Kinder auf Dauer günstiger sein wird, dass dem Vater die Obsorge zukommt, wird im Rahmen der endgültigen Obsorgeentscheidung zu beurteilen sein.