12.11.2014 Verfahrensrecht

VwGH: Eine Genehmigung nach § 31 Abs 2 Z 5 AWG kann nicht durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt eingeschränkt werden

Die mündliche Aufforderung der Behörde an Zulieferer, die Belieferung eines bestimmten Betriebes mit Abfall künftig zu unterlassen, stellt keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar


Schlagworte: Unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt, Einschränkung einer Befugnis, Abfallrecht
Gesetze:

§ 67a AVG, § 31 AWG

GZ 2011/07/0191, 27.06.2013

VwGH: Nach stRsp liegt ein Eingriff in Rechte des Betroffenen durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt im Allgemeinen nur dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Auch eine bloße normative Anordnung (ein Befehl) - im Gegensatz zu einer bloßen Mitteilung (etwa eines Rechtsstandpunktes) - allein kann somit die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen, wenn der Adressat einer solchen Anordnung im Fall der Nichtbefolgung mit ihrer zwangsweisen Realisierung zu rechnen hat; dem Befehlsadressaten muss daher bei Nichtbefolgung der Anordnung eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion bevorstehen. Ferner hat der VwGH in stRsp festgehalten, dass die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur dann vorliegt, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen. Hat der Adressat einer solchen behördlichen Aufforderung - bei objektiver Betrachtungsweise - im Fall deren Nichtbefolgung zu gewärtigen, dass die Behörde die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands jeweils notwendigen Maßnahmen mit Bescheid verfügt oder droht etwa im Fall deren Nichtbeachtung "lediglich" eine strafrechtliche Sanktion und/oder der Entzug der Berechtigung, so liegt keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor.

§ 31 Abs 2 Z 5 AWG normiert, unter welchen Voraussetzungen die bf Partei als Aufsichtsbehörde die Genehmigung für ein "Sammel- und Verwertungssystem" entziehen oder einschränken darf. Eine Entziehung oder Einschränkung des mit der Genehmigung einem "Sammel- und Verwertungssystem" erteilten subjektiven Rechtes nach dieser Gesetzesbestimmung hat nicht durch einen verfahrensfreien Verwaltungsakt, sondern mittels eines Bescheides zu erfolgen. Bei verfassungskonformer Interpretation des § 31 AWG und im Hinblick auf den aus rechtsstaatlichen Gründen gebotenen Rechtsschutz nach Art 130 B-VG begründet somit § 31 AWG eine gesetzliche Verpflichtung für die bf Partei als Aufsichtsbehörde, einen Entzug oder eine Einschränkung der einem "Sammel- und Verwertungssystem" erteilten Genehmigung in der Rechtsform eines Bescheides auszusprechen, dem ein rechtsstaatliches Ermittlungsverfahren voranzugehen hat.

Ob die von der bf Partei mündlich getroffene Anordnung auf eine Einschränkung der Genehmigung iSd § 31 Abs 2 Z 5 AWG abzielen sollte, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben. Mangels Erlassung eines für eine solche Rechtsfolge notwendigen Bescheides konnte diese mit der genannten Anordnung nicht bewirkt werden. Um eine solche Beschränkung der Genehmigung zu erreichen, bedurfte es somit eines weiteren Handelns, nämlich eben der Erlassung eines auf § 31 Abs 2 Z 5 AWG gestützten Bescheides.