10.11.2014 Verfahrensrecht

OGH: Zum Begriff der „Gewalt“ in § 381 Z 2 EO

Das Anbringen einer Stahlkette an der Grundstücksgrenze, die bezweckt, den Kläger an der Zufahrt zu seinem Grundstück zu hindern, kann nicht unter „Gewalt“ iSd § 381 Z 2 erster Fall EO subsumiert werden


Schlagworte: Exekutionsrecht, Einstweilige Verfügung, Gefährdung, Gewalt
Gesetze:

§ 381 EO, § 19 ABGB

GZ 3 Ob 229/12s, 20.02.2013

 

OGH: Gem § 381 Z 2 EO können einstweilige Verfügungen zur Sicherung anderer Ansprüche erlassen werden, wenn derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Soll die eV der Verhütung drohender Gewalt dienen, kann sie auch dann bewilligt werden, wenn sie sich mit dem im Hauptverfahren angestrebten Ziel deckt. In Fällen, in denen ein Recht durch einen gewaltsamen Eingriff bereits verletzt wurde und ein Anspruch der gefährdeten Partei auf Behebung des durch diese Rechtsverletzung herbeigeführten Zustandes entstanden ist, kann eine eV auch zwecks Wiederherstellung des vor dem gewaltsamen Eingriff bestandenen Zustandes bewilligt werden. Die Behauptungslast für die Verwirklichung der Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO trifft immer die gefährdete Partei, sie sind dann, wenn aufgrund eines bloß bescheinigten Sachverhalts der Prozesserfolg vorweggenommen werden soll, streng auszulegen.

 

Drohende Gewalt ist nicht schon jedes rechtswidrige oder gegen § 19 ABGB verstoßende Verhalten des Anspruchsgegners. Unter „Gewalt“ iSd § 381 Z 2 EO ist ein (drohendes) Verhalten zu verstehen, das entweder einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit einer Person bewirkt, die nicht unbedingt auch der Antragsteller selbst sein muss, oder das sich als „psychisch gewaltsames Verhalten“ darstellt, worunter etwa eine gefährliche Drohung zu verstehen wäre, oder mit welchem eine (drohende) Gefahr der Beschädigung einer Sache verwirklicht ist. So wäre etwa die Hinderung einer Person an der Zufahrt zu einer Liegenschaft dann „Gewalt“ iSd § 381 Z 2 EO, wenn diese durch einen körperlichen Angriff oder durch eine Drohung mit einem solchen Angriff dazu bewegt werden soll, der Liegenschaft fern zu bleiben.

 

Das Anbringen einer Stahlkette an der Grundstücksgrenze bezweckt zwar zweifelsfrei, den Kläger an der Zufahrt zu hindern; diese Vorgangsweise beeinträchtigt aber weder die körperliche Unversehrtheit des Klägers noch zieht sie Schäden an seinem Eigentum nach sich noch ist sie als „psychischer“ Zwang, herbeigeführt durch eine gefährliche Drohung, die den Kläger an der Zufahrt hindern soll, zu verstehen. So ist auch in der Strafrechtslehre anerkannt, dass weder das Blockieren der Fahrbahn durch Traktoren oder Bahnschwellen noch das Errichten von Straßensperren mittels Menschenketten, Traktoren, Brettern oder Steinen den - gesetzlich nicht näher definierten - strafrechtlichen Gewaltbegriff verwirklicht.