OGH: Zur abstrakten Bankgarantie
Der Einwand, der Kläger habe nur eine Forderung, zu deren Sicherung die Bankgarantie nicht erstellt worden sei, ist ein Einwand aus dem Valutaverhältnis, den die Beklagte im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie nicht erheben kann; es entspricht hRsp, dass dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch hat
§ 880a ABGB, § 1295 Abs 2 ABGB
GZ 3 Ob 113/14k, 23.07.2014
OGH: Bei einer abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, also nicht akzessorisch. Es genügt die bloße Behauptung des Begünstigten, die geschuldete Leistung nicht erhalten zu haben. Die Bank kann keine Einwendungen und Einreden aus dem zwischen Auftraggeber und Begünstigtem bestehenden Kausalverhältnis geltend machen, weil es gerade der Sinn einer solchen Garantie ist, die Einstandsverpflichtung der Bank vom Kausalverhältnis zu lösen. Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen. Der für die Bankgarantie typische Ausschluss von Einwendungen aus dem Valuta- und dem Deckungsverhältnis darf auch nicht auf Umwegen umgangen werden. Leistungsstörungen wie Verzug berechtigten im Allgemeinen nicht zum Einwendungsdurchgriff. Der Einwand, der Kläger habe nur eine Forderung, zu deren Sicherung die Bankgarantie nicht erstellt worden sei, ist ein Einwand aus dem Valutaverhältnis, den die Beklagte im Hinblick auf die Abstraktheit der Bankgarantie nicht erheben kann. Deshalb dürfen Ansprüche des Vertragspartners gegen den Begünstigten aus dem Valutaverhältnis grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Leistung aus der Garantie doch wieder vom Grundverhältnis abhängig gemacht wird.
Für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bei der Inanspruchnahme einer Bankgarantie wird allgemein gefordert, dass das Nichtbestehen eines Anspruchs des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie als evident erwiesen wird oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch handelt. Es entspricht hRsp, dass dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch hat. Die Tatsache allein, dass der Auftraggeber der Auszahlung der Garantiesumme widerspricht, berechtigt die Bank nicht, dem Begünstigten die Leistung zu verweigern. Ob die für die Annahme von Rechtsmissbrauch geforderten Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Nach den getroffenen Feststellungen war die Beklagte vom Vertragsrücktritt nicht in Kenntnis, auch die übrigen festgestellten Umstände deuten keineswegs auf eine evidente Kenntnis der Beklagten vom (gänzlichen) Nichtbestehen der Forderung gegenüber der Klägerin hin.
Die hier zu beurteilende Bankgarantie dient nach ihrem Wortlaut zur Besicherung für alle Forderungen und Ansprüche, gleich welcher Art, die aus einer bestimmten Geschäftsbeziehung erwachsen sind oder in Hinkunft erwachsen werden. Die von der Klägerin intendierte Beschränkung auf Ansprüche aus einem gültigen Vertrag, die nach Rücktritt von dem selben nicht mehr bestünden, ist daher nicht erkennbar. Die übernommene Garantie für Ansprüche aus einer bestimmten Geschäftsverbindung besteht nicht nur dann, wenn der Dritte die Leistung vertragswidrig unterlässt, sondern auch dann, wenn die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht entsteht oder später weggefallen ist.
Der Revisionseinwand, die Zahlungsgarantie sei von der Beklagten nicht wegen offener Werklohnforderungen sondern zur Rückführung des gegebenen, offenen Kredits in Anspruch genommen worden, übersieht den abstrakten Charakter der garantierten Zahlung über „erste schriftliche Aufforderung“. Hier entsteht die Zahlungsverpflichtung allein durch die Inanspruchnahme, die nach dem Garantievertrag den formellen Garantiefall bildet.